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Der Wertverfall der türkischen Lira hat bereits vor Monaten begonnen – und setzt sich rasant fort.

Foto: AP/Pitarakis

Luxus ist mit einem Mal billig. Oder fast billig. Ein Tascherl von Louis Vuitton oder ein paar Schlapfen bei Chanel kosten gleich ein Viertel weniger, wenn man Glück hat. Der rasante Sturz der türkischen Lira macht zumindest die Touristen aus den Golfstaaten in den Istanbuler Shopping-Malls zufrieden.

In den Managementetagen der türkischen Großbanken herrscht dafür blanke Panik. Um zehn bis zwölf Prozent brechen am Montag die Kurse an der Istanbuler Börse ein. Adnan Bali, Generaldirektor der Is-Bank, hält die Verteidigungsrede seines Lebens. "Wir stehen einer ganz klaren, ernsten Spekulationsattacke gegenüber", sagt Bali im Studio eines Nachrichtensenders. Eine Kapitalflucht gebe es aus seiner Bank nicht, das Geldinstitut sei gesund. Doch ein Plus machen an der Istanbuler Börse nur Unternehmen, die im Auslandsgeschäft verankert sind – wie Enka, einer der größten Baukonzerne der Welt.

Nach tagelangem Schweigen kam Murat Çetinkaya, der Gouverneur der türkischen Zentralbank, aus der Deckung und gab eine Reihe von Maßnahmen zur Erhöhung der Liquidität der türkischen Banken bekannt. Çetinkayas Schritt folgte erst auf eine Intervention des türkischen Finanzministers Berat Albayrak, des Schwiegersohns des Staatspräsidenten, in der Nacht zu Montag. In Tweets und gegenüber einer türkischen Zeitung erklärte Albayrak den erfolgreichen Beginn eines "Aktionsplans", um den Verfall der Lira zu stoppen. Geholfen hat es nichts.

Vorzeichen für Kapitalkontrollen

Die Zentralbank in Ankara gab an, sie würde Mittel von etwa zehn Milliarden Lira, sechs Milliarden Dollar und drei Milliarden Dollar an Goldreserven bereitstellen. Kurz zuvor deckelte die türkische Bankenaufsicht Swap-Transaktionen auf 50 Prozent des Eigenkapitals der jeweiligen Bank. Manche wollten darin schon ein Vorzeichen für die Einführung von Kapitalkontrollen sehen.

Die Lira machte ihren neuerlichen massiven Kursverlust von mehr als zehn Prozent zunächst wett, doch die Wirkung all der Ankündigungen und Maßnahmen in Ankara war bald schon verpufft. Die türkische Währung nahm wieder Kurs auf sieben Lira für einen US-Dollar und auf acht Lira für einen Euro.

Die Staatsanwaltschaft in Istanbul und Ankara gab die Aufnahme von Ermittlungen gegen Personen an, die die "wirtschaftliche Sicherheit" und den "sozialen Frieden" im Land bedrohten. Rund 350 Konten in sozialen Medien werden nach Angaben des Innenministeriums bereits untersucht. Dabei geht es offensichtlich um missliebige Nachrichten und Kommentare zur Währungskrise. Mit der Androhung von Strafverfahren sollen wohl auch regierungskritische türkische Ökonomen abgehalten werden, weiterhin Stellung zu beziehen.

Die Finanzpolizei gab ihrerseits die Aufnahme von Untersuchungen an, nachdem Gerüchte über eine Beschlagnahmung von Devisenkonten in türkischen Banken in Umlauf gekommen waren. Ausgelöst hatte diese Gerüchte der Staatspräsident selbst.

Erdoğan warnte in einer seiner Reden am vergangenen Sonntag türkische Industrielle, nun nicht zu den Banken zu laufen und ausländische Währungen zu kaufen. "Ihr würdet das Falsche tun, wenn ihr auf diese Option zurückgreift, um auf der sicheren Seite zu sein", sagte Erdoğan. Es sei die Pflicht der Industriellen und Händler, diese Nation auf den Füßen zu halten. "Andernfalls müssten wir einen Plan B oder C umsetzen", kündigte Erdoğan vage an. Zinsen müssten auf einem möglichst niedrigen Niveau gehalten werden, sagte der türkische Staatschef auch, wobei nicht klar wurde, ob er damit auch die Leitzinsen der Zentralbank meinte. Zinsen seien ein Mittel der Ausbeutung, was die Armen ärmer und die Reichen reicher mache, erklärte der islamistische Politiker.

Weiterhin Druck aus Washington

Am Montag traten auch die Strafzölle in Kraft, die US-Präsident Donald Trump auf türkische Stahl- und Aluminiumimporte verhängt hatte. Trump verdoppelte dabei für die Türken die bereits im Frühjahr generell festgelegten Zölle auf 50 Prozent für Stahl und 20 Prozent für Aluminium; damit sind die türkischen Hersteller aus dem US-Markt. Der Schritt hatte die Währungskrise noch angefeuert. Am Montag stand auch die Unterzeichnung des Gesetzes für den Verteidigungshaushalt 2019 an. Dabei würde die Auslieferung von Kampfflugzeugen des neuen Typs F-35 in die Türkei ausgesetzt. Die USA wollen damit die Freilassung des Pastors Andrew Brunson erreichen. (Markus Bernath, 13.8.2018)