Seit kurzem erst weiß die Wissenschaft etwas mehr darüber, was vor gut 10.000 Jahren zum Ende der Eiszeit führte: In der Atmosphäre kam es zu einem Anstieg von Kohlendioxid, das bis dahin in den Meeren gespeichert gewesen war. Doch aufgrund Veränderungen der Meereszirkulationen dürfte es vor allemvom Südpazifik freigesetzt worden sein und hielt so das globale Klima einigermaßen warm und stabil, wie der STANDARD kürzlich berichtete. Eine ganz neue Studie, die am Montag im Fachblatt "Nature Geoscience" erschien, bestätigt diese Annahme.

Doch vor rund 8.200 Jahren ereignete sich ein längerer Rückfall in die Kälte, die sogenannte Misox-Schwankung. Für etwa 100 Jahre kam es insbesondere in Europa zu einer regional unterschiedlichen, aber erheblichen Abkühlung um durchschnittlich etwa zwei Grad Celsius. Als Grund dafür nehmen Forscher an, dass sich damals eine gigantische Menge Süßwasser aus Seen im Norden Kanadas in den Nordatlantik ergossen hatte.

Das wiederum führte zu einer Unterbrechung der nördlichen Verlängerung des Golfstroms (was künftig durch das Abschmelzen von Grönlands Gletschern droht) und hatte Auswirkungen bis in den Vorderen Orient. Die Wiedererwärmung erfolgte nach weniger als 100 Jahren ähnlich schnell wie die Abkühlung, nachdem sich die Strömungsverhältnisse im Nordatlantik wieder stabilisiert hatten.

Uralte Siedlung in Südanatolien

In Mesopotamien waren Dürren und die Wandlung zu einem semiariden Klima die Folge, wie man heute weiß. Wie aber reagierten darauf die ersten Bauern, die im fruchtbaren Halbmond erst aufgrund des wärmeren Klimas mit der Landwirtschaft begonnen hatten und sesshaft geworden waren? Eine der ganz frühen Siedlungen war jene von Çatalhöyük in Südanatolien, die vor etwa 9.500 Jahren entstand und rund 1.800 Jahre lang existierte.

Çatalhöyük lag ganz im Nordwesten des fruchtbaren Halbmonds, hier mit den Siedlungen vor gut 9.000 Jahren.
Illustration: Sten Porse

Ihre Blütezeit hatte sie vor rund 9.000 Jahren. Die Ansiedlung lag knapp 40 Kilometer südöstlich der Stadt Konya auf der Hochebene Anatoliens und hatte mehrere tausend Einwohner. Man rechnet sie dem sogenannten Zentralanatolischen Neolithikum zu.

Seit vielen Jahren forschen Archäologen in Çatalhöyük, das seit 2012 Teil des Unesco-Welterbes ist. Ein Team um die Biochemikerin Mélanie Roffet-Salque (Uni Bristol) hat nun in einer methodisch innovativen Studie, die im Fachblatt "PNAS" publiziert wurde, die Auswirkungen des Klimawandels auf diese frühe Siedlung analysiert und dabei einige bemerkenswerte Entdeckungen gemacht.

Ein Teil der Grabungen in Çatalhöyük. Dort passten sich die bis zu 10.000 Bewohner der Stadt erstaunlich gut auf die Trockenheit und Kälte vor 8.200 Jahren an.
Foto: Ziggurat

Bei der Untersuchung der am Standort ausgegrabenen Tierknochen aus der Zeit vor 8.300 bis 7.900 Jahren kamen die Wissenschafter zum Schluss, dass sich die frühen Bauern aufgrund des kühler und trockener werdenden Klimas der Schaf- und Ziegenzucht zuwandten, da diese Tiere kälte- und vor allem dürreresistenter als Rinder sind. Man passte sich also recht klug an die neuen Verhältnisse an.

Analysen der Schnittspuren auf den Knochen offenbarten zudem, dass die Bevölkerung aufgrund der Nahrungsmittelknappheit das wenige vorhandene Fleisch sehr viel gründlicher nützte als zu besseren Zeiten .

Die Fettreste in diesen Tongefäßen brachten Aufschlüsse über die Klimaveränderungen vor 8.200 Jahren.
Foto: Çatalhöyük Forschungsprojekt

"Du bist, was Du isst"

Die Forscher untersuchten auch noch die tierischen Fette, die sich in den alten Tongebinden erhalten haben und die wohl helfen sollten, Notzeiten zu überstehen. Auch die Veränderungen der Zusammensetzung dieser Fette entsprach für den untersuchten Zeitraum rund um die Misox-Schwankung der Umstellung bei der Viehzucht. Die Maxime "Du bist, was Du isst" erhält damit auch eine innovative archäologische Bedeutung.

Damit konnte das Team um Roffet-Salque anhand von uralten Lebensmitteln erstmals eine Anpassung beim Essen auf den Klimawandel dokumentieren. Die Analyse der Isotopenzusammensetzung (konkret die Veränderungen beim Wasserstoff) der Speisereste mittels Gas-Chromotografie bestätigte zugleich, dass es vor 8200 Jahren wegen der Golfstromturbulenzen auch in Anatolien in den Sommern deutlich trockener und in den Wintern kälter wurde. (tasch, 14.8.2018)