Wien – Die Plazenta hat eine wichtige und hochkomplizierte Aufgabe: Sie muss dafür sorgen, dass zwischen der Mutter und ihrem ungeborenen Kind wichtige Substanzen ausgetauscht werden und gleichzeitig anderen Substanzen der Durchgang versperrt wird. Längst hat man noch nicht vollständig verstanden, wovon die Durchlässigkeit der Plazenta abhängt. Das hat einen einfachen Grund: Es ist kaum möglich, ihre Funktion am Menschen direkt zu untersuchen.

An der TU Wien stellte man daher nun ein künstliches Plazenta-Modell her, das dem natürlichen Vorbild sehr nahekommt: Mit speziell entwickelten lasergesteuerte 3D-Druck-Verfahren kann man aus Hydrogelen hochpräzise Formen herstellen, die dann mit Plazenta-Zellen besiedelt werden. Damit wird es nun möglich, wichtige Forschungsfragen zu klären, etwa über den Glucose-Austausch zwischen Mutter und Kind.

Komplexer Stoffaustausch

"Der Transport von Substanzen durch biologische Membranen spielt in verschiedenen Bereichen der Medizin eine wichtige Rolle", sagt Aleksandr Ovsianikov vom Institut für Werkstoffwissenschaften und Werkstofftechnologie der TU Wien. "Etwa in der Blut-Hirn-Schranke, bei der Nahrungsaufnahme in Magen und Darm oder eben in der Plazenta."

So gibt es etwa zahlreiche Studien darüber, dass sich Krankheiten der Mutter wie etwa Diabetes auf das ungeborene Kind auswirken können. Auch Bluthochdruck kann den Stofftransport zum Fetus beeinflussen. Auf welche Weise in solchen Fällen aber die vielen beteiligten Parameter zusammenspielen, konnte bisher kaum untersucht werden.

Spezialchip mit Bio-Trennwand

An der TU Wien arbeitet man daher daran, Organstrukturen auf kompakten Chips nachzubilden, um so wichtige Aspekte ihrer Funktion unter kontrollierten Bedingungen untersuchen zu können. "Unser Chip besteht aus zwei Bereichen – eine repräsentiert den Fötus, der andere die Mutter", erklärt Denise Mandt, die im Rahmen ihrer Diplomarbeit an dem Projekt arbeitete. "Dazwischen stellen wir in einem speziellen 3D-Druck-Verfahren eine Trennwand her – die künstliche Plazentamembran."

Nach dem Vorbild der natürlichen Plazenta stellten die Forscher eine Oberfläche mit kleinen, gewundenen Zotten her. Dort können sich dann Plazentazellen ansiedeln und eine Oberfläche erzeugen, die der natürlichen Plazenta sehr ähnlich ist.

Winzige Strukturen aus bio-kompatiblem Material können im speziellen 3D-Drucker an der TU Wien hergestellt werden. Darauf siedeln sich dann Zellen an.
TU Wien

Das Organ auf dem Chip

"Die Organ-on-a-Chip Technologie ist ein revolutionärer Ansatz in der Biomedizin, der in den letzten Jahren großes Interesse in der klinischen Diagnostik, Biotechnologie und Pharmazie erzeugt hat", sagt Peter Ertl, Leiter der Cell-Chip-Forschungsgruppe, die maßgeblich an dem Projekt beteiligt war. "Die Erzeugung von humanen Miniorganen am Chip soll dazu führen, dass patientenspezifische Therapieansätze entwickelt werden können, und stellt außerdem auch eine wichtige Methode für den Ersatz von Tierversuchen dar."

Der Bio-Chip: Hier kann die künstliche Plazenta unter kontrollierten Bedingungen untersucht werden.
TU Wien

Am Chip können wichtige biologische Parameter wie Druck, Temperatur, Geometrie und Nährstoffversorgung der Miniorgane sowie die Zugabe von Medikamenten genau kontrolliert werden. So wird es möglich, Krankheitsverläufe und Heilungsraten genau zu beobachten. In ersten Tests konnte bereits gezeigt werden, dass sich die künstliche Plazenta am Chip tatsächlich ähnlich wie eine natürliche Plazenta verhält: Kleine Moleküle werden durchgelassen, große werden aufgehalten.

Nun soll das Modell verwendet werden, um gezielt wichtige Aspekte des Nährstofftransports von der Mutter zum Fötus zu untersuchen. (red., 13.8.2018)