Der rot-gelbe Zug ist die bequeme Alternative zum Auto. Seit 113 Jahren verbindet die Montafonerbahn den Hauptort des Tals mit der Bezirkshauptstadt Bludenz.

Foto: Jutta Berger

Fahrdienstleiter Gernot Maier.

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Noch ist Schruns die Endstation der Montafonerbahn. Künftig könnte sie als Tram Train bis Gaschurn fahren.

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Schruns – Das freundliche "Grüaß di" gehört zur Corporate Identity von Montafon-Tourismus. Jede Presseaussendung, jeder Prospekt beginnt mit der vertrauten Anrede. Beim Schaffner in der Montafonerbahn klingt der Gruß ganz und gar nicht nach Werbung.

"Grüaß di, grüaß di", geht der Schaffner lächelnd durch die Reihen, kontrolliert höflich, hat Zeit für ein kurzes Schwätzchen. Hilft Müttern mit Kinderwagen beim Ein- und Aussteigen, gibt Touristen Auskunft. Amüsiert sich mit den Fahrgästen über einen kleinen Passagier, der von seiner Mutter wissen will, ob man nun in Frankreich sei. Mit der Antwort "Nein, wir fahren doch ins Montafon" ist der Bub zufrieden. Er schaut hinaus, sieht Bergwiesen, Felswände, Häuser vorbeiflitzen. Und viele Autos auf der fast parallel verlaufenden L188.

Der Zug hat Geschichte

Der rot-gelbe Zug ist die bequeme Alternative zum Auto. Seit 113 Jahren verbindet die Montafonerbahn, damals die erste elektrisch betriebene normalspurige Eisenbahn der österreichisch-ungarischen Monarchie, Schruns, den Hauptort des Tals, mit der Bezirkshauptstadt Bludenz. Mehrmals täglich fährt ein direkter Zug bis Bregenz, sogar bis Lindau am deutschen Bodenseeufer. Die Landeshauptstadt erreicht man in einer Stunde und 42 Minuten, nach Schruns braucht man 19 Minuten.

1,44 Millionen Fahrgäste transportierte die Montafonerbahn im Vorjahr. Gut 70 Prozent davon pendeln in die Schule oder zum Arbeitsplatz, erzählt Fahrdienstleiter Gernot Maier. Vier Fahrdienstleiter wechseln sich am Bahnhof Schruns ab. Sie haben ihren Arbeitsplatz im modernen Glasanbau des liebevoll sanierten alten Bahnhofs. Noch regeln sie den Zugsverkehr über ein analoges "Stellwerkle", in Kürze wird aber auch hier digitalisiert.

Maier und seine Kollegen tragen große Verantwortung, die 13 Kilometer lange Strecke hat nicht weniger als 42 Übergänge. Manche sind nur im Sommer offen, wenn Bauern das Vieh auf die Weide treiben. Die Fahrdienstleiter sitzen auch am Schalter, verkaufen Tickets, sind im Ernstfall Einsatzdrehscheibe, im Alltag Info- und Beschwerdestelle.

Die Züge verkehren im Halbstundentakt. Geht es nach Bahnvisionären, soll die Strecke erweitert werden, weiter hinein Richtung Talschluss. Auf die Frage nach dem Ausbau der Bahn antwortet Gernot Maier mit einem Seufzer. Über eine Verlängerung diskutiere man im Tal seit Jahren, noch sei nichts entschieden, verweist er an die Geschäftsleitung.

Einig über den Ausbau

Bertram Luger, Vorstandsdirektor des Unternehmens, spielt den Ball an die Politik weiter. Aus Sicht der MBS seien die Weichen auf Ausbau gestellt. Doch noch fehlten die politischen Entscheidungen. Leistungsfähige Lokalbahnen seien aus ökologischer Sicht ein Muss, sagt Luger: "Wir fahren seit 1905 E-mobil. An diesen ökologischen Ansatz wird die Straße nie herankommen."

Die Politik nimmt den Ball auf. Herbert Bitschnau, der Bürgermeister von Tschagguns, vertritt die zehn Montafoner Gemeinden mit ihren rund 16.500 Einwohnern. Der Stand Montafon, ihr Gemeindeverband ist Mehrheitseigentümer der Bahn, hält 54,5 Prozent der Anteile. Weitere Gesellschafter sind Land und Illwerke AG mit je elf Prozent, 22 Prozent befinden sich im Streubesitz.

Bitschnau sieht die Zukunft der Bahn optimistisch. Eine Machbarkeitsstudie zur Bahnverlängerung wurde kürzlich Gemeinde- und Tourismusverantwortlichen vorgelegt. "Erstmals sind sich alle Gemeinden einig, das hatten wir noch nie", freut sich Bitschnau. Künftig soll ein Tram Train, einer Straßenbahn ähnlich, eine Alternative zur Straße bieten. Und zwar bis hinein nach Gaschurn, das rund 15 Kilometer von Schruns entfernt liegt.

Enge Radien

Der Tram Train könne enge Radien bewältigen, sagt Bitschnau, "ein großer Vorteil, so können wir auch die Talstationen der Seilbahnen anfahren". Die Montafoner Straßenbahn würde dann die einzige Erschließungsstraße des Tales, die L188, entlasten. 14.000 Fahrzeuge fahren dort täglich, in der Skisaison bis zu 19.000. Über 200 Millionen Euro würde die Verlängerung der Bahn kosten, zehn Prozent davon müsste die Region aufbringen, 90 Prozent würden Land und Bund finanzieren. "Für eine zukunftsweisende Mobilitätslösung ist das nicht viel", findet Bitschnau. Im Herbst sollen alle Detailfragen geklärt sein, dann will man das Projekt Tram Train der Bevölkerung präsentieren. (Jutta Berger, 13.8.2018)