In der Nacht zum Donnerstag flog die israelische Luftwaffe wieder Angriffe auf Ziele in Gaza-Stadt – dabei wurden nicht nur Gebäude zerstört, sondern auch mindestens drei Menschen getötet.

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In den israelischen Stadt Sderot schlugen Raketen aus dem Gazastreifen ein.

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Für die Menschen im und um den Gazastreifen war es ein trauriges Déjà-vu: Wie bereits einige Male in den vergangenen Wochen spitzte sich die Lage wieder gefährlich zu, wieder einmal war für die Zivilisten an Schlaf kaum zu denken.

Israels Armee reagierte in der Nacht zum Donnerstag mit heftigen Luftangriffen auf die mehr als 180 Raketen und Mörsergranaten, die seit Mittwochabend aus dem Gazastreifen in Richtung Israel abgefeuert wurden und eine Frau schwer, mehrere Menschen leicht verletzten sowie einige Häuser und Fabriken beschädigten. 30 Raketen aus dem Gazastreifen wurden nach Angaben der Armee vom Raketenabfangschirm "Eiserne Kuppel" noch in der Luft zerstört, ein Großteil der Geschosse ging auf freiem Feld nieder.

150 Ziele bombardiert

Im Gegenzug griff Israels Luftwaffe mindestens 150 Ziele der Hamas im Gazastreifen an, darunter Waffenfabriken und -depots, Tunnel und Trainingslager. Dabei wurden Berichten zufolge eine schwangere 23-jährige Palästinenserin und ihre 18 Monate alte Tochter sowie mindestens ein Hamas-Mitglied getötet. Die israelische Armee installierte im Süden weitere Raketenabwehrbatterien, zog Reservisten ein und wies die Menschen in den Dörfern entlang des Gazastreifens an, sich in unmittelbarer Nähe zu Bunkern und Schutzräumen aufzuhalten – den Menschen dort bleiben im Alarmfall nur wenige Sekunden, um sich in Sicherheit zu bringen.

Auslöser für die neue Gefechtsrunde war dieses Mal ein Vorfall am Dienstag, bei dem Israels Armee zwei palästinensische Scharfschützen im Norden Gazas getötet hatte, die in Richtung israelischer Soldaten geschossen hatten. Wie sich Berichten zufolge später herausstellte, ein Missverständnis: Es soll sich um ein Vorführtraining von Hamas-Kämpfer gehandelt haben, israelische Soldaten seien nicht das Ziel gewesen. Die Hamas jedenfalls drohte mit Vergeltung – und ließ am Mittwoch Taten folgen.

Alles scheint stets nach dem gleichen Muster abzulaufen. Neu ist, dass bei diesen Angriffen auf beiden Seiten Zivilisten verletzt, in Gaza sogar getötet wurden. Israelische Medien zitierten außerdem einen Armeevertreter, der nicht nur vor einer Militäroperation warnte, sondern auch ankündigte, man würde Gemeinden an der Grenze eventuell evakuieren.

Dabei hatten die Hamas und Israel in den vergangenen Tagen mithilfe der UN und Ägypten indirekt über eine langfristige Waffenruhe verhandelt. Es ging auch darum, die anhaltenden Angriffe vonseiten militanter Palästinenser mit brennenden Flugdrachen und Ballonen zu beenden, die in Israels Süden bereits tausende Hektar Felder und Wälder zerstört haben. Am Mittwoch waren erneut Brände ausgebrochen.

Für die Palästinenser sind diese Angriffe, gepaart mit den anhaltenden, teilweise gewaltsamen Freitagsdemonstrationen, auch ein Mittel, um auf ihre prekäre Lage aufmerksam zu machen: Das Leitungswasser ist verschmutzt, nur selten fließt Strom, das Benzin reicht kaum für die Generatoren, die Menschen leiden unter der Sommerhitze – ohne Ventilatoren, Klimaanlage und Kühlschränke. Außerdem besteht Seuchengefahr. Die Hamas fordert, dass die Zufuhrbeschränkung zum Gazastreifen aufgehoben wird.

Keiner will Schwäche zeigen

Beide Seiten würden von einer lang anhaltenden Waffenruhe profitieren – und beide Seiten scheinen derzeit weiterhin kein ernsthaftes Interesse an einem Krieg zu haben. Die Hamas weiß, dass sie einen Krieg nicht überleben würde. Wohl auch deshalb erklärte sie Donnerstagmittag die Gefechtsrunde für beendet – doch schon wenig später gab es wieder Raketenalarm. Israel wiederum hat kaum Interesse, die Verantwortung für die knapp zwei Millionen Gazaner zu übernehmen – genauso wie die Palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah. Eine andere Terrororganisation an der Macht in Gaza wäre für Israel ebenfalls keine Verbesserung.

Klar ist aber auch: Keiner will Schwäche zeigen, Hamas und Israel beschuldigen sich gegenseitig, die Gewalt ausgelöst zu haben, und drohen, Angriffe zu vergelten. (Lissy Kaufmann, 9.8.2018)