Das Naschen vom Baum der Erkenntnis hat die Welt bekanntlich dorthin gebracht, wo sie heute ist. Seither lastet auf übertriebenem Hang zum Wissen der Ruf einer gewissen Frevelhaftigkeit, der aber etliche Mitglieder der derzeit waltenden Regierung nicht davon abhält, ja sie geradezu beflügelt, der Parole "Sapere aude" auf Regimentsunkosten zu folgen. An den Früchten der Studien, die in den ersten Monaten ihres Waltens in Auftrag gegeben wurden, könnten die Österreicher und Österreicherinnen noch lange zu knabbern haben, vorausgesetzt, es gäbe welche und sie würden ihrer teilhaftig gemacht. Beides ist derzeit noch offen, fest steht hingegen schon jetzt, dass der Steuerzahler, der diesen Wissensdrang finanziert, damit noch lange nicht das Recht erwirbt, am daraus erwachsenden Herrschaftswissen teilzuhaben. Oder erst, wenn es den Herrschaften passt.

So lässt der Minister für Beschleunigung, Norbert Hofer, auf sein auch nicht ganz billiges 140-km/h-Projekt eine Studie der TU Wien zum Thema "Rechtsabbiegen bei Rot" folgen, die für magische 99.750 Euro rechtfertigen soll, was er als dringenden Bedarf empfindet. Was sonst? Rechtsabbiegen bei Rot gibt es in anderen Ländern bereits, es wäre aber zu billig gewesen, dort einfach anzurufen. Denn man kann nie ganz ausschließen, dass diese Verkehrserleichterung entweder in Österreich gegen ein Naturgesetz verstößt oder die Österreicher vielleicht zu blöd sind, ein derart komplexes Vorhaben vor leuchtender Ampel in die Tat umzusetzen. Hofer weiß aus Erfahrung, wie viel Schaden Wähler schon beim Rechtsabbiegen angerichtet haben.

Neigung zur Selbsthinterfragung

Spät, aber nicht zu spät hat der Wissensdrang bei Herbert Kickl eingesetzt. Er ließ sich für seinen Traum einer Pferdestaffel erst von Freund Orbán zwei Pferde schenken, um dann eine Studie in Auftrag zu geben, ob das Projekt überhaupt sinnvoll ist. Man könnte darin eine leicht krankhafte Neigung zur Selbsthinterfragung sehen, hätte er seine Studie statt bei der TU-Wien nicht bei der hauseigenen Sicherheitsakademie in Auftrag gegeben. Er will ja nicht abgeworfen werden, ehe er aufgesessen ist.

Die hauseigenen Sicherheitsakademiker werden den Aufbau der Staffel wissenschaftlich begleiten. Das jetzt schon feststehende Ergebnis soll Anfang 2020 bekanntgegeben werden. Nichts ist hingegen von einer Studie bekannt, die Kickl in Auftrag gegeben hätte, als es um die Einlagerung von Sturmgewehren in allen Funkstreifen der Polizei ging. Dabei ist diese Aufrüstung für die Sicherheit der Bevölkerung von sehr ähnlicher Bedeutung wie eine Pferdestaffel, mit der der angeheizte Alarmismus idyllisch abgemildert werden soll. Wenn Kickl auf dem Dach jeder Funkstreife ein Maschinengewehr montiert sehen will, dürfen wir vielleicht wieder mit einer Studie rechnen. Bei der hauseigenen Sicherheitsakademie.

Zu preisen ist hier Sozialministerin Hartinger-Klein, die die Veröffentlichung der von ihrem Vorgänger beauftragten Studie zur Aktion 20.000 hartnäckig verweigert. Wenigstens eine hat erkannt, dass Wissen stets mit Wagnis verbunden ist, und das muss man sich als Teilentmündigte leisten können. (Günter Traxler 9.8.2018)