In dieser tropisch-heißen Woche lernte Doris Knecht, die Faulheit zu genießen. Wer zu sich sagen kann: "Jetzt mache ich nix, aber ich höre nicht ganz auf mit der Fitness", muss sich wirklich nicht schämen.

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Letztes Mal begann ich hier ein kleines Lob der Faulheit, das dann aber von ein paar Sonnengrüßen unterbrochen wurde. Dann war ich zu einer Hochzeit eingeladen, und dort sagte jemand: Ich habe deine letzte Kolumne gelesen, du machst echt jeden Tag den Sonnengruß? Ich sagte: Äh, kam das so rüber? Nein, aber ich könnte den Sonnengruß jeden Tag machen. Es ist gut zu wissen, dass man den Sonnengruß beherrscht – also einen der vielen Sonnengrüße, es gibt ja A- und B-Grüße, und die variieren auch noch.

Jetzt also die Sommerfrage: Darf man auch einmal richtig faul sein? Wenn es so heiß ist, dass einen sogar die Bewegung, mit der man das Kaffeehäferl zum Mund bringt, schwitzen lässt? Darf man sich als halbwegs fitter, gesundheitsbewusster Mensch einfach so ein paar Wochen gehenlassen? Sagen: Ja, diese Woche habe ich keine Lust auf Yoga. Das Problem ist, dass man dann vielleicht aus Scham, dass man letzte und vorletzte Woche nicht da war, diese auch nicht mehr hingeht. Und das wäre schade. Auch wenn man damit nicht allein ist.

"Fitnessstudios leben ja nicht von den Leuten, die kommen, sondern von denen, die nicht kommen."
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Kluge Erfindung

Fitnessstudios zum Beispiel leben ja nicht von den Leuten, die kommen, sondern von denen, die nicht kommen, aber trotzdem ihre Jahresmitgliedschaft zahlen, die vermutlich genau deswegen erfunden wurde. Und ja, natürlich täte es mir gut, den Sonnengruß jeden Tag zu machen. Auch eine Reihe anderer Übungen brächten mir täglichen Benefit. Aber im Sommer freue ich mich schon, wenn ich die Kunst, mit durchgestreckten Beinen den Boden zu berühren (nein, liegen gilt nicht) und ohne allzuschlimmes Herzrasen ein paar Stiegen hochzukommen, nicht völlig verlerne. Zwischendurch gibt's dann hin und wieder ein paar Tage, an denen mehr geht.

Das Problem ähnelt von der Textur her ein bisschen der endlosen Fahrradhelmdebatte. Eine Helmpflicht bewirkt, dass die, die Helm tragen, zwar sicherer sind und dadurch natürlich etwas für ihre Gesundheit tun. Insgesamt radeln bei Helmpflicht aber weniger Leute, das schadet ihrer Gesundheit, der Gesamtgesundheit und dem Budget. Es gibt dazu vernünftige Studien.

In eine ähnliche Richtung radelt die Frage, ob ein bisschen Fitness im Sommer auch reicht. Dass man sagt, na gut, jetzt bin ich inkonsequent, bald bin ich es nicht mehr, dann mach ich wieder was, vielleicht morgen. Dass man sagt, he, ich war nur ein bisschen faul, ich habe nicht ganz aufgehört. Ich hab's geschafft, trotz Hitze zweimal zum Fitness oder zum Yoga zu gehen, das ist besser für mich und die Gesamtgesundheit als keinmal, es gibt keinen Grund, sich zu schämen, im Gegenteil. Jemand soll bitte eine ordentliche Studie dazu machen, danke. (Doris Knecht, RONDO, 20.8.2018)

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