Nicht nur Lukas Weißhaidinger gönnt sich und seinen strapazierten Muskeln ein erfrischendes Bad.

Foto: Benjamin Rauscher

Berlin – Das Wichtigste ist die Kälte!" Wem sagt Gregor Högler das? Der Sportdirektor des Leichtathletik-Verbands (ÖLV) zerbricht sich seit geraumer Zeit darüber den Kopf, wie er Österreichs Aktive bei der EM "herunterkühlen" kann. Da war noch nicht abzusehen, dass die Hitzewelle auch Berlin in selten da gewesenem Ausmaß erfassen würde. Für Mittwoch sind bis 39 Grad angesagt, erst in der Nacht auf Freitag soll es gewittern und um zehn Grad "kälter" werden.

Laut Högler hat es Österreich lange genug verschwitzt, mit großen LA-Nationen mitzuhalten. Große Nationen setzen seit Jahren auf Kältebecken. "Kälte dient der Regeneration, der Wiederherstellung", sagt Högler, dessen Ziel es war, "dass uns überall Kälte zur Verfügung steht." Er hat ein Bassin organisiert, es fasst 2.000 bis 3.000 Liter Wasser, die er dank einer Wärmepumpe mit fünf Kilowatt Leistung locker auf eine Temperatur von acht bis zehn Grad bringen kann.

Das Becken, in dem Österreichs Athletinnen und Athleten üblicherweise zweimal täglich zehn bis 15 Minuten lang sitzen, steht in einem Zelt neben dem Aufwärmplatz beim Olympiastadion. Vor der EM hat sich Högler schlaugemacht, wo er das Wasser herbekommen könnte. Dann hat er "angezapft", nämlich jene Leitung, die zum Wassergraben für die Hindernisrennen führt. In dem Kältebecken können bis zu sechs Menschen sitzen. "Wenn der Luki dabei ist", sagt Högler, "sind es eher nur zwei."

Weißhaidinger im Finale

Luki ist Lukas Weißhaidinger, Österreichs Diskuswerfer, der sich am Dienstag als Elfter knapp, aber doch fürs Finale der besten zwölf am Mittwoch (20.20 Uhr) qualifiziert hat. Der 26-jährige Innviertler kam in drei Versuchen nicht über 62,26 Meter hinaus, am Ende war er "glücklich" über sein Weiterkommen. Im Finale will Weißhaidinger – natürlich – "cool bleiben" und "zeigen, was ich wirklich draufhabe". Selbiges bleibt zwei Mitfavoriten verwehrt, der deutsche Olympiasieger von 2016, Christoph Harting, und Polens Ex-Weltmeister Piotr Malachowski schieden aus.

Mit dem Kältebecken allein ist es nicht getan. Högler, der mit "Zimmer Medizintechnik" und "EM-Cooling" kooperiert, hat auch spezielle Cooling Pads organisiert, die an der Oberfläche eine Temperatur von acht bis zwölf Grad haben. Manche dieser Pads lassen sich kleben, etwa auch in die Kappe eines Marathonläufers. Darüber hinaus stehen ÖLV-Aktiven spezielle Kühlhosen aus Neopren, durch die kaltes Wasser gepumpt wird, zur Verfügung. Die herkömmlichen Eiswürfel, die auf Dauer so kalt sind, dass sie der Haut und der Blutzirkulation schaden können, haben jedenfalls ausgedient.

Katar kann kommen

Gregor Högler sagt, dass er in Berlin auch "einiges ausprobiert" – in Hinblick auf künftige Großevents wie die WM 2019 in Katar und die Olympischen Spiele 2020 in Tokio. Gestern schurlten die Geherinnen und Geher durch das Zentrum von Berlin. Eine Vorverlegung der Startzeit (8.35 Uhr) war kurz angedacht, aber verworfen worden. So kamen Männer, deren Rennen knapp vier Stunden dauerte, wie Frauen, die eine halbe Stunde länger unterwegs waren, erst um die Mittagszeit an. Eine perverse Hitzeschlacht.

Die meisten Spitzensportlerinnen und Spitzensportler sorgen sich nicht wirklich um ihre Gesundheit, das liegt in der Natur der Sache. Und auch sonst sorgen sich wenige. Der leitende Arzt des deutschen LA-Verbands (DLV), Andrew Lichtenthal, sagt: "Letztendlich ist es so, dass man sich an die Hitze gewöhnen und sich langsam herantasten muss." Man müsse "die Hitzetoleranz erhöhen", das könnte etwa "mit einem warmen Bad" gelingen.

Sportler sind auch nur Menschen, vielleicht sind sie Vorläufer, am Ende werden wir noch alle kalt-warm kriegen. Es geht darum, Leistung zu optimieren. Schon jetzt steht fest, dass bei der WM 2019 in Katar, die wohlweislich erst im Herbst stattfindet, der Marathon um Mitternacht gestartet wird. So geht man der Hitze aus dem Weg, wenn auch nicht der Perversität. Leichtathletikfreaks reden jetzt schon davon, dass dieser WM-Marathon in der Nacht "eine coole Sache" wird. (Fritz Neumann aus Berlin, 8.8.2018)