Die Wirtschaftskrise ist überstanden. Der Bedarf für AMS-Kurse geht zurück.

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Ist es ein Skandal, wenn die türkis-blaue Regierung das Budget für das Arbeitsmarktservice (AMS) im kommenden Jahr kürzt? Nein, das ist es per se nicht, auch wenn das manche Kritiker behaupten. Die Arbeitslosigkeit in Österreich ist in den vergangenen zwölf Monaten gesunken, und die Zahl der Menschen, die einen Job suchen, wird weiter zurückgehen, sagen Ökonomen. Die Wirtschaftskrise ist überstanden. Der Bedarf für AMS-Kurse geht zurück. Die Arbeitsmarktpolitik kann den Krisenmodus hinter sich lassen. Das ist die gute Nachricht.

Die schlechte lautet, dass die Regierung keinen Plan zu haben scheint, wie sie mit verbliebenen und neuen Verwerfungen am Arbeitsmarkt umgehen soll. Dabei geht es nicht einmal um den langfristigen Wandel, den die zunehmende Digitalisierung mit sich bringt – ein Thema, über das übrigens erschreckend wenig diskutiert wird.

Vielmehr braucht es dringend Strategien im Umgang mit den Spätfolgen der Krise. In Österreich waren im Juli 340.000 Menschen arbeitslos gemeldet oder befanden sich in Schulung beim AMS. Im Juli 2008 waren es nur 219.000 Menschen. Trotz des jüngsten Rückgangs ist der Bestand an Arbeitslosen also in historischer Perspektive hoch. Hinzu kommt, dass es heute mehr Gruppen am Arbeitsmarkt gibt, die sich schwertun – nicht weniger.

Da sind einmal Menschen jenseits der 55. Die Arbeitslosigkeit sinkt zwar auch bei Älteren. Aber der Rückgang ist langsamer als bei Jüngeren. Eine zweite Problemgruppe betrifft die 33.000 anerkannten Flüchtlinge, die aktuell vom AMS betreut werden. Sollen die Menschen aus Afghanistan, Syrien und dem Irak bei uns je wirklich voll in den Arbeitsmarkt integriert sein, brauchen sie neben Sprachkenntnissen Qualifizierungsmaßnahmen und Ausbildung.

Kürzung

Ein historisch hoher Bestand an Arbeitslosen, mehr Problemgruppen: Dieser Mix spricht dafür, beim AMS-Budget mit Augenmaß vorzugehen. Dafür, dass die Regierung das auch so sieht, fehlen die Anhaltspunkte. Geplant war von Türkis-Blau, die Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik von heuer 1,4 auf 1,2 Milliarden Euro im kommenden Jahr zu kürzen. Das war ein vertretbarer Plan. Aber nun wird erwogen, die arbeitsmarktpolitischen Mittel für 2019 auf eine Milliarde Euro zurückzufahren, was einer Kürzung von 25 Prozent entspricht. Das wäre keine Korrektur, sondern ein Kahlschlag.

Noch dazu verschärft sich parallel ein neues Problem: Fachkräfte fehlen. Wirtschaftskammerchef Harald Mahrer warnt davor, dass 87 Prozent der Betriebe den Fachkräftemangel spüren. Selbst wenn die Zahl zu hoch gegriffen sein mag, steht fest, dass die Klagen der Unternehmer immer lauter werden, dass sie keine Mitarbeiter finden. In 150 Berufen herrscht in Oberösterreich Mangel, in der Steiermark sind es 100. Derzeit ist es Aufgabe des AMS, Facharbeiterausbildungen für Erwachsene anzubieten. Damit erhalten ungelernte Arbeitnehmer die Chance, zum Schlosser oder Elektriker umzulernen. Das kann man auch anderen Bildungseinrichtungen überantworten – nur machen muss es irgendwer.

Sofern der Wirtschaftsmotor nicht absterben soll, muss Geld für Qualifikation da sein. Langfristig müssen Lehrberufe, die links liegengelassen werden, wie etwa Dachdecker, attraktiver werden. Durch Werbung, gute Ausbildungsplätze, bei Bedarf Zuschüsse zur Lehrlingsentschädigung. Es gibt also genug arbeitsmarktpolitische Baustellen, für die man feines Werkzeug und keinen Vorschlaghammer braucht. (András Szigetvari, 7.8.2018)