Heimische Forscher arbeiten an ressourcenschonenden Verfahren, die die Aufbereitung sowie die Rückgewinnung gebundener Nährstoffe zum Ziel haben.

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Wasser muss nicht wertlos sein. Im Gegenteil: Im Sinne einer Kreislaufwirtschaft können aus jener Brühe, die sich in Kläranlagen sammelt, durchaus erneut Grundstoffe extrahiert werden. Denn mit den Ausscheidungen von Mensch und Tier kommen hier auch jene Stoffe an, die die Lebensmittel, die diese zu sich nahmen, einst gedeihen ließen und daher Teil vieler Düngemittel sind: Stickstoff und Phosphor.

Schon in einer ausgewogenen Landwirtschaft wurde dieser Kreis geschlossen, indem die Bauern Jauche ausbrachten und nur so viele Tiere hielten, wie die Felder trugen. Heute ist allerdings oft bereits zu viel Stickstoff auf den Feldern vorhanden, der aus den überstrapazierten Böden in das Grundwasser geschwemmt wird.

Rückgewinnung von Stickstoff und Phosphor

Die Herstellung der Düngemittel ist aufwendig. "Zwei Prozent des Weltenergiebedarfs geht in die Produktion von Düngemitteln", rechnet Markus Ellersdorfer vor. Der Wissenschafter am Lehrstuhl für Verfahrenstechnik des industriellen Umweltschutzes an der Montanuniversität Leoben versucht mit seinem Team im Projekt "ReNOx 2.0" Prozesse zur Rückgewinnung von Stickstoff und Phosphor aus Abwässern zu entwickeln und zu verbessern.

Zu den Partnern in dem von der Förderagentur FFG unterstützten Projekt gehören neben einschlägigen Unternehmen auch das Energieinstitut an der Johannes-Kepler-Universität (JKU) Linz und das Department für Agrarbiotechnologie (IFA) der Universität für Bodenkultur Wien in Tulln.

Die Grundlagen für die Stickstoffrückgewinnung wurden bereits im Vorgängerprojekt "ReNOx" gelegt, indem ein Verfahren entwickelt wurde, dem man den Namen Ionentauscher-Loop-Stripping gab. In dessen Zentrum steht Zeolith, ein Mineral vulkanischen Ursprungs, das Anwendung als Nahrungsergänzungsmittel und in vielen industriellen Prozessen findet. Es ist günstig verfügbar, etwa dank großer Lagerstätten in der Ostslowakei.

Als sogenannter Ionentauscher kann das Mineral Stickstoff in Form von Ammonium-Ionen aufnehmen, während es gleichzeitig Natrium-Ionen abgibt. Für diesen Prozess werden die Abwässer durch den zu Korngröße gemahlenen Zeolith geleitet, beschreibt Ellersdorfer. Die Behandlung mit Natronlauge sorgt schließlich dafür, dass die Körner das Ammonium wieder freigeben.

Rauchgasreinigung

Der auf diese Art zurückgeholte Stickstoff könnte zwar zu Dünger verarbeitet werden, im Rahmen des Projekts zielen die Forscher aber auf eine industrielle Nutzung ab. Denn er kann auch dazu verwendet werden, Rauchgase von Stickoxiden zu reinigen, die bei Hochtemperaturprozessen entstehen – etwa bei der Stahlerzeugung, in Kohlekraftwerken oder – wie im Zuge des Projekts – in Zementwerken. "Wir können den Harnstoff, der bisher für diese Zwecke eingesetzt wurde, mit Stickstoff aus Kläranlagen ersetzen", fasst Ellersdorfer zusammen.

Im Rahmen des neu aufgelegten Projekts soll nun auch die Rückgewinnung von Phosphor ins Auge gefasst werden – die Vorräte des lebenswichtigen Rohstoffs sind endlich, in der EU sind keine großen Lagerstätten vorhanden. Dazu wird Zeolith gezielt mit salzhaltigen Lösungen behandelt, um ihm eine Beladung mit Kalzium-Ionen mitzugeben.

Das Kalzium wird im Abwasserstrom freigesetzt und reagiert mit dem Phosphor, sodass Apatit entsteht – ein kristallenes Material, zu dem etwa auch Zahnschmelz zählt. Es lagert sich an der Oberfläche der Körner ab, die, mit Säure behandelt, eine stark phosphorhaltige Lösung abgeben, die wiederum als Düngemittel eingesetzt werden kann.

Klimawandel

Bisher hatten Ellersdorfer und sein Team vor allem die Abwässer von Kläranlagen zum Ziel. "Wir testen im Projekt aber nun auch Biogasanlagen, Deponiesickerwässer und andere Abwasserströme, etwa in der Industrie", erläutert der Forscher. Nach dem Testen der Abwässer auf ihre Verwendbarkeit für die Rückgewinnung der Stoffe soll gegen Projektende ein Standort für eine Testanlage gewählt werden. "Dann schauen wir, ob es in der Praxis funktioniert."

Der Klimawandel verändert auch den Wasserkreislauf der Erde. Dürreperioden werden häufiger. Dort, wo Wasser ohnehin rar ist – etwa in den Wüstengebieten des Nahen und Mittleren Ostens –, könnte sich der Druck weiter erhöhen. Entsalzungsanlagen, die Süßwasser aus dem Meer gewinnen, sind oft mit Gas- und Ölkraftwerken kombiniert. Die Entsalzung trägt also zur Entstehung von CO2-Emissionen bei, die den Klimawandel weiter befeuern – ein Teufelskreis.

Dabei kann man Süßwasser auch mithilfe von Sonnenenergie gewinnen. Die Natur selbst macht es im Wasserkreislauf der Erde vor. Wasser verdunstet aus den Meeren und fällt über Land als Regen wieder zu Boden, wo es sich zu Bächen und Flüssen sammelt. Darauf aufbauende Technologien existieren schon lange.

Beispielsweise werden Salzwasserbecken nach dem Gewächshausprinzip mit Glas abgedeckt, unter dem der Wasserdampf kondensiert und das Wasser in Rinnen aufgefangen wird – eine Methode, die viel Platz benötigt und wenig effizient ist.

Auch an der FH Vorarlberg haben sich Forscher einer ressourcenschonenden Wasseraufbereitung angenommen. Markus Preißinger, Illwerke-VKW-Stiftungsprofessor für Energieeffizienz, und Kollegen arbeiten an der Verbesserung von Be- und Entfeuchtungsprozessen, die auf geringen Temperaturunterschieden basieren – Unterschiede, die durch Sonnenenergie, aber auch durch industrielle Abwärme erzielt werden können. Auf diese Art kann auch in Produktionsanlagen Wasser besser wiederaufbereitet und in Kreisläufen genutzt werden.

Befeuchtung in der Blasensäule

In der Anlage, die die Forscher in einem vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützten Projekt weiterentwickeln, wird das Salz- oder Schmutzwasser angesaugt und durchläuft eine Spirale, in der es – eben durch Sonnenenergie oder Abwärme – vorgewärmt wird. Daraufhin wird es von oben in einen Behälter, eine sogenannte Blasensäule, eingesprüht, in den von unten Luft eingeblasen wird.

Die Luftblasen werden mit Wasser angereichert und in einen Behälter transportiert, der auch von der Spirale durchlaufen wird, die am Beginn des Pro zesses steht. Während das Wasser hier kondensiert, wird Energie abgegeben, die zur Erwärmung des Ausgangsgemischs beiträgt.

An der Universität Bayreuth, von der aus Preißinger nach Dornbirn gewechselt ist, steht eine solche Anlage, mit der sogar Bilgenwasser – dickflüssiges Teer-Wasser-Gemisch aus der Schifffahrt – aufbereitet werden konnte, berichtet der Forscher. In Vorarlberg ist man in dem auf drei Jahre ausgelegten Projekt dabei, eine ähnliche Anlage aufzubauen.

Nach Fertigstellung soll systematisch analysiert werden, unter welchen Bedingungen der Prozess am besten funktioniert und wie man ihn in einem mathematischen Gleichungssystem exakt und experimentell fundiert abbilden kann. Daten zu den Befeuchtungsprozessen werden dabei etwa mit Hochgeschwindigkeitskameras aufgenommen.

"Einer der wichtigsten Parameter, die man anpassen kann, ist die Flüssigkeitshöhe in dem Behälter, in den Luft eingeblasen wird", erklärt Preißinger. Eine Luftblase kann nur eine gewisse Menge Wasser aufnehmen – in der Natur entsteht Regen oder Nebel, wenn die Kapazität überschritten wird.

Die Wasserhöhe sollte jenen Grad erreichen, der eine optimale Sättigung der Luftblasen zulässt. Ein weiterer Ansatzpunkt liegt zudem in der Größe der aufsteigenden Luftblasen, die etwa durch einen Lochraster in die Flüssigkeit entlassen werden. Sind sie zu groß, werden etwa nur äußere Schichten befeuchtet, sind sie zu klein, werden ihre Kapazitäten nicht ausgeschöpft.

Wenn das System nun etwa für Meerwasser optimiert ist, heißt das aber noch lange nicht, dass es auch für andere wasserhaltige Flüssigkeiten gut funktioniert. "Bei Abwässern mit hohem Ölanteil können sich all diese Faktoren ganz schnell ändern", gibt Preißinger zu bedenken. Eine Anlage, die sich problemlos an alle Ausgangsgemische anpassen könnte, um Wasser möglichst effizient wiederaufzubereiten – das wäre für Preißinger die "absolute Traumvorstellung". (Alois Pumhösel, 11.8.2018)