Die frühen Jahre von Android zeichneten sich durch eine rasche Abfolge neuer Softwaregenerationen aus. Mittlerweile hat sich Google aber auf einen fixen Rhythmus festgelegt: Einmal im Jahr gibt es einen großen Versionssprung, die Veröffentlichung wird dabei gezielt so getimet, dass die diversen Partner genügend Zeit haben, ihre Geräte für das Weihnachtsgeschäft auf die neue Version zu bringen. So zumindest die Theorie, bis auf Google selbst und einige wenige Ausnahmen ignoriert die restliche Android-Welt diese Pläne nämlich bislang weitgehend. Um dies zu ändern, hat der Softwarehersteller seinem Betriebssystem im Vorjahr im Rahmen des "Project Treble" einen massiven Umbau verpasst, dessen primäres Ziel es ist, die Entwicklung von Updates erheblich zu erleichtern. Nun wird sich zeigen, ob diese Anstrengungen gefruchtet haben: Hat doch Google mit Android 9.0 "Pie" gerade das erste große Update für sein Betriebssystem seit den Treble-Umbauten veröffentlicht, und zwar eines, das im Folgenden genau unter die Lupe genommen werden soll.

Viele sichtbare Änderungen

Während Android 8 vor allem durch die strukturellen Verbesserungen gekennzeichnet war, bringt sein Nachfolger wieder jede Menge für die Nutzer auf den ersten Blick sichtbare Änderungen mit sich. Das heißt freilich nicht, dass die neue Betriebssystemgeneration keine Verbesserungen an der Softwarebasis bietet – ganz im Gegenteil. Diese wurden aber schon an anderer Stelle ausführlich beleuchtet, insofern sei hier nur auf ein paar Highlights verwiesen: Android 9 bringt eine deutliche Verbesserung der Akkulaufzeit mit sich, wofür zuvorderst ein auf Maschinenlernen setzendes System namens Adaptive Battery verantwortlich zeichnet. Deutliche Verbesserungen gab es auch in den Bereichen Privacy und Security. Dabei sticht vor allem heraus, dass Apps nur mehr dann auf Mikrofon, Kamera und (die meisten) Sensoren Zugriff haben, wenn sie gerade im Vordergrund aktiv sind. Der Zugriff von Hintergrunddiensten wird hingegen von Haus aus blockiert.


Android 9.0 "Pie" auf dem Pixel 2 XL (Anmerkung: Foto zeigt typische Testanordnung).
Foto: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Viel Google, viel Android One, der Rest?

Bevor es losgeht noch ein wichtiger Disclaimer vorab: Die Natur der Android-Welt, die den Drittherstellern weitreichende Anpassungen ermöglicht, führt auch dazu, dass bei vielen der besprochenen Neuerungen unklar ist, auf welchen Geräten sie schlussendlich landen werden. Immerhin verfolgen Firmen wie Samsung oder Huawei recht gerne eigene User-Interface-Konzepte. Wirklich sicher kann man sich in dieser Hinsicht eigentlich nur bei Googles eigenen Geräten der Pixel-Reihe sowie bei Android-One-Smartphones sein, die ebenfalls ein weitgehend unmodifiziertes Android nutzen.

Gestensteuerung

Mit Android 9 nimmt sich Google eines Themas an, das seit den Anfängen des Betriebssystems weitgehend unverändert blieb: Der grundlegenden Systemnavigation. Statt der bisher dafür genutzten Buttons am unteren Bildschirmrand soll also auch unter Android künftig Gestennavigation zum Einsatz kommen – ähnlich wie bei Apples iPhone X.

In der konkreten Ausformung sieht das dann so aus: Von Haus aus wird nur mehr ein Button angezeigt, über den die meisten Aufgaben erledigt werden: Ein kurzer Druck darauf bringt die Rückkehr auf den Homescreen, ein langer Duck ruft den Google Assistant auf – soweit also alles wie gewohnt. Neu ist hingegen, dass nun mit einem kurzen Swipe nach oben der Task Switcher aufgerufen wird. Mit einer etwas längeren Wischbewegung in dieser Richtung geht es wiederum in den App Launcher. Das mag zunächst umständlich klingen, Google hat dies aber – nach Kritik an den ersten Testversionen – wirklich gelungen umgesetzt. Gibt es doch Feedback in Form eines leichten Vibrierens, das die Grenze zwischen den beiden Gesten nach oben markiert. Zudem wird in der Task-Ansicht der untere Bereich des Bildschirms mit einer semitransparenten Karte hinterlegt, um zu signalisieren, dass hier noch weitere Funktionalität versteckt ist. Dieser Ansatz hat aber noch einen weiteren, nicht zu unterschätzenden, Vorteil: Der App Launcher kann nun direkt aus jedem Programm aufgerufen werden, bisher musste dafür auf den Homescreen zurückgekehrt werden.

Mit der Gestensteuerung gibt es nur mehr einen zentralen Knopf, über den viele Funktionen ausgeführt werden. An vielen Stellen wird dazu aber auch noch ein Zurückknopf eingeblendet. In der Mitte: Der neue Task Switcher, aus dem heraus (rechts) auch direkt Texte kopiert werden können. Die Liste der unten angebotenen Apps wird von Google anhand des individuellen Nutzungsverhalten erstellt.
Screenshots: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Doch es gibt noch weitere Gesten für diesen Knopf: Wer nach rasch nach rechts wischt wechselt damit flott auf das zuvor genutzte Programm. Und mit einer längeren Bewegung nach rechts – und dann auch links – kann durch alle offenen Apps gewechselt werden kann. Die Vorschau der Programme nimmt dabei fast den gesamten Bildschirm ein, womit diese Art des Task-Wechsels in vielerlei Hinsicht stark an das Gestensystem von WebOS erinnert, wie es am Palm Pre schon im Jahr 2009 erstmals zu sehen war.

Gut aber nicht konsequent

So gelungen die Basis der neuen Gestensteuerung prinzipiell ist, verblüfft auch wie unfertig und inkonsequent das Ganze wirkt. Da wäre einmal der Umstand, dass der gewohnte Zurück-Knopf weiter bei den meisten Apps angezeigt wird, anstatt hier einfach eine weitere Geste – etwa über einen Swipe nach links – einzuführen. Doch während sich darüber angesichts der wichtigen Position die dieser Button seit Jahren für die Android-Navigation hat, noch diskutieren lässt, begeht Google einen gar verblüffenden Fehler: Das neue Gestensystem bringt nämlich keinerlei Platzgewinn, der eine verbliebene Button nimmt in der Höhe exakt so viel Platz ein wie die alte Button-Reihe. Dabei ignoriert man, dass der gewonnene Platz für viele den Hauptanreiz für solch eine Gestensteuerung darstellt.

Bei Google reagiert man auf entsprechende Kritik mit dem Hinweis, dass Platzgewinn nicht der primäre Grund für die Entwicklung der Gestensteuerung gewesen sei. Vielmehr ging es darum die Navigation zu vereinfachen und intuitiver zu gestalten. Gleichzeitig haben die Entwickler aber mittlerweile auch bereits durchblicken lassen, dass man in Zukunft sehr wohl auch Platz durch das Gestensystem gewinnen will. Angesichts solcher Wortmeldungen kann man sich dann endgültig nicht mehr des Eindrucks erwehren, dass Google schlicht für Android 9 die Zeit ausgegangen ist, und die Nutzer jetzt mit einer halbfertigen Lösung konfrontiert sind. Allzu sehr darüber empören muss man sich allerdings auch nicht, und zwar aus einem guten Grund: Auf aktuellen Smartphones ist die Gestennavigation lediglich eine Option, für die man sich explizit entscheiden muss. Ob dies auch auf kommenden Devices wie dem Pixel 3 so sein wird, muss sich erst zeigen, aber es ist wohl davon auszugehen, dass die alte Systemnavigation zumindest optional noch eine zeitlang erhalten bleibt.

Das Geheimnis ist gelüftet: Android 9 trägt den Codenamen "Pie" (Kuchen)
Grafik: Google

Task Switcher

Uneingeschränkt gelungen ist hingegen eine andere Neuerung von Android 9: Der bereits kurz erwähnte, neue Task Switcher, der übrigens auch zum Einsatz kommt, wenn die alte Systemnavigation genutzt wird. Die Hauptansicht zeigt dabei die gerade aktuellsten Apps – und zwar nur leicht verkleinert. Mit Swipe-Bewegungen links und rechts kann dann durch die App-Liste gescrollt werden. Diese Art der Darstellung ermöglicht durchaus spannende Features, kann doch mit diesen Vorschaubildern direkt interagiert werden. Ein konkretes Beispiel: Es können in der Task-Ansicht Textpassagen kopiert, und schnell in eine andere App kopiert werden, was eine sehr übersichtliche Art des Austausches ist. Verblüffenderweise klappt dieser Trick sogar mit Screenshots, Google erkennt hier die Textpassagen also von selbst. Weniger gefällt hingegen ein anderer Faktor: Diese Möglichkeit mit der Task-Vorschau zu interagieren, ist derzeit auf Geräte mit US-englischen Spracheinstellungen beschränkt.

Jedes dieser Vorschaubilder ist mit dem passenden Icon versehen, ein Klick darauf offenbar weitere Optionen. Neben den gewohnten App Infos ist dies vor allem die Möglichkeit den Split-Screen-Modus zu aktivieren. Dieser konnte bisher über einen Langdruck auf den Task-Button aufgerufen werden, was allerdings das Risiko einer unabsichtlichen Aktivierung barg. Dieses Problem stellt sich bei der neuen Lösung nicht, alleine schon deswegen ist das also eine sinnvolle Verbesserung.

Künstliche Intelligenz

Unter der gerade ausgewählten App befindet sich in der Task-Ansicht noch zwei weitere Elemente: Ein Google-Suchfeld sowie der Schnellzugriff auf fünf Apps. Interessant ist dabei vor allem Letzteres: Hier handelt es sich nicht bloß um eine Kopie der von den Nutzern am Homescreen festgelegten Favoriten, vielmehr sollen hier Apps geboten werden, die in der aktuellen Situation gerade nützlich sind. Klingt nach Magie, ist aber Maschinenlernen: Google analysiert also das Verhalten der Nutzer, um hier passend zu den aktuellen Bedürfnissen Apps anzubieten. Wer also etwa immer auf dem Arbeitsweg Nachrichten liest, wird hier schnell die entsprechende App zeitgerecht wiederfinden, während dann am Abend der Wecker zum Schnellzugriff geboten wird. All die dafür nötigen Analysen erfolgen übrigens direkt am Smartphone, also ohne dass dafür die Google Cloud bemüht werden.

Ganz links im Task Switcher ist weiterhin ein "Clear All"-Knopf zu finden, auch wenn der Weg dorthin recht lang ist. Mitte: Über das Icon kann der Split-Screen-Modus aufgerufen werden. Rechts: Über einen Swipe nach rechts am Home-Button wird ein rascher Task-Wechsel initiiert, bei der die Vorschau fast das gesamte Fenster einnimmt.
Screenshots: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Einen ähnlichen "smarten" Ansatz verfolgt Google auch für den eigenen App Launcher. Dort befinden sich nämlich unter der Liste der meistgenutzten Apps zwei Buttons, die auf konkrete Aktionen in einzelne Apps verweisen. Das wäre dann etwa das Initiieren eines Chats mit einer bestimmten Person oder auch der Aufruf der Arbeitskalenders, wenn es gerade passend ist. Und tatsächlich lernen all diese Systeme mit der Zeit merklich vom Verhalten der User, und sind immer wieder nützlich. Das Problem dabei: Sie sind es nicht konsistent, und hier vergisst Google ein wichtiges Usability-Prinzip: Verlässlichkeit. Wenn sich die Nutzer nicht darauf verlassen können, dass etwa die App im Task Switcher an der passenden Stelle ist, dann ist die entsprechende Icon-Liste schnell mehr Arbeit als Nutzen, da man sie jedes Mal wieder bewusst durchsehen, und im Fall des Falles auf den App Launcher wechseln muss. Da ist es oft schneller einfach gleich den App Launcher aufzurufen, wo man meist schon blind weiß, wo sich die jeweilige App befindet.

Benachrichtigungszentrale

Eine Stärke von Android ist fraglos das Benachrichtigungssystem, und auch in Anroid 9 erhält dies wieder einige interessante Verbesserungen. So wird nun etwa bei vielen Messaging-Apps mehr Kontext zu einer Diskussion geboten – also nicht bloß die letzte Nachricht. Dies erspart es gerade in Gruppendiskussionen oft auf die eigentliche App zu wechseln. Zudem können entsprechende Apps nun auch Bilder und Sticker in Benachrichtigungen einbetten. Ebenfalls neu ist der systemweite Support für "Smart Reply". Damit können nun alle Apps von automatischen Antwortvorschlägen profitieren, wie sie etwa bei einzelnen Google-Apps schon länger angeboten werden.

Ebenfalls äußerst nützlich: Apps können nun Antworten auf Benachrichtigungen als Entwurf speichern. Damit wird verhindert, dass beim – oft unabsichtlichen – Verlassen des Benachrichtigungsbereichs das bisher Getippte verloren geht. Damit räumt Google einen regelmäßigen Frustrationspunkt aus. Zu den weiteren Neuerungen gehören die gesonderte Kennzeichnung für Gruppenkonversationen sowie dass bei Notification Bundles, also mehreren zusammengefassten Benachrichtigungen aus einer Konversation, nun gleich ganz oben ein Antwort-Knopf dargestellt wird.

Helferchen

Eine der sinnvollsten Verbesserungen betrifft aber das allgemeine Management von Benachrichtigungen. Bemerkt Android, dass gewisse Notifications von den Nutzern immer ohne weitere Interaktion weggewischt werden, rät es dazu, den zugehörigen Benachrichtigungskanal zu deaktivieren. Die konkrete Umsetzung dieses Feature hat aber auch spezifische Schwächen: Zwar gibt es in den Systemeinstellungen einen Punkt, der anzeigt, bei wie vielen Apps einzelne Benachrichtigungsarten deaktiviert wurden, ein Klick darauf offenbart aber keinerlei Detailinformationen. Hier müssen sich die Nutzer dann schon einzeln durch die jeweiligen App Settings klicken.

Apropos Notification Channels: Da so manche App hiervon eine Fülle anbietet, sind diese nun in Kategorien organisiert. Dies hat vor allem den Vorteil, dass ganze Kategorien mit einem Klick deaktiviert werden können. Weitere Detailverbesserungen: Die Antwort auf eine Benachrichtigung führt nun nicht mehr dazu, dass diese verschwindet, womit es ebenfalls leichter wird, eine aktuelle Diskussion komplett an dieser Stelle zu führen. Und unter der letzten Benachrichtigung gibt es nun einen eigenen Knopf, der direkt zu den allgemeinen Notification-Einstellungen führt.

Benachrichtigungen nicht nur im neuen Look sondern auch mit erweiterter Funktionalität. Mitte: Die Schnelleinstellungen wurden einmal mehr umgebaut. Rechts: Am Lock Screen und dem "Ambient Display" werden nun mehr Infos als bisher angezeigt.
Screenshots: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Material Theme

Besonders auffällig sind aber natürlich die Änderungen am grafischen Stil der Benachrichtigungen, die mit einem allgemeinen, sanften Redesign des Systems einhergeht. Dies läuft unter dem Namen "Material Theme" und ist Googles neueste Interpretation des eigenen Material Designs. Vor einigen Monaten hatte man Anpassungen für die eigenen Design-Richtlinien vorgenommen, die anderen Herstellern mehr Möglichkeiten zur Individualisierung an die Hand geben sollen. Dies aus der Erkenntnis, dass Material Design zu vielen ähnlich aussehenden Apps geführt hat – etwas, das man so eigentlich nicht im Sinn hatte. Nun sollen unterschiedliche Firmen auch unterschiedliche Looks entwickeln, die zwar im Kern den gleichen Richtlinien folgen, aber auch eine individuelle Linie zeigen. Und Googles Interpretation davon ist eben das erwähnte Material Theme.

Konkret bedeutet dies: Viele Boxen werden nun mit abgerundeten Kanten dargestellt, die Typographie wurde durch die verstärkte Nutzung von Googles Product Sans Font angepasst, und es wurden zahlreiche Icons ausgetauscht. Ob in den Quick Settings oder auch der Navigation, all diese System-Icons sind nun in einem luftigen Outline-Stil gehalten. Dazu kommen diverse neue Animationen, etwa für den Übergang zwischen Benachrichtigungen und Apps.

Was viele User besonders freuen dürfte: Es kann nun manuell zwischen hellem und dunklem Theme gewechselt werden, bisher wurde diese Wahl bei den Pixel-Geräten ausschließlich automatisch über die Farben des Hintergrundbilds entschieden. Ein vollständiger "Dark Mode" für das System ist dies aber weiter nicht, die dunklen Themes beschränken sich also auf zentrale Komponenten wie Launcher, Quick Settings oder auch den Google Feed. Aber selbst die Systemeinstellungen verbleiben immer im hellen Look – und Dritt-Apps sowieso.

Make some noise!

Es mag nach einem Detail klingen, und doch gehört es unter Android zu den nervigsten Schwachstellen: Die Lautstärkeregelung. Bisher ist einfach nicht immer klar, ob jetzt beim Druck auf die entsprechenden Knöpfe gerade Medien-, Telefon oder auch Alarmlautstärke geregelt wird. Mit "Pie" räumt Google hier endlich auf: Von Haus aus wird jetzt immer die Medienlautstärke verändert. Für Telefonie gibt es jetzt dafür einfach einen Button, der zwischen Lautlos, Vibrieren und Tonwiedergabe wechselt. Das heißt natürlich auch, dass jeder, der die Anruflautstärke ändern will, künftig extra in die Systemeinstellungen gehen muss. Selbiges gilt für die Lautstärke von Alarmen. Das mag umständlich klingen, Googles Argumentation ist aber verblüffend einleuchtend: In den allermeisten Fällen wollen die Nutzer das Klingeln ihres Smartphones nämlich nur zwischen "laut" und "lautlos" wechseln. Insofern kann man sich auf das konzentrieren, was im Alltag wirklich oft verändert wird, und das ist eben die Medienlautstärke. Eine kleine Ausnahme gibt es für den Google Cast-Support, wo dann die Lautstärke des verbundenen Geräts vorrangig geregelt wird, während der Regler für das Smartphone im User Interface daneben angeboten wird. Und wenn wir schon beim Thema sind: In den Systemeinstellungen gibt es nun einen eigenen Punkt, der die Lautstärke innerhalb von Anrufen regelt.

Apropos Lautstärke, "Pie" bringt noch ein weiteres nettes Detail in dieser Hinsicht mit: Android merkt sich jetzt – endlich – für jedes einzelne Bluetooth-Gerät die zuletzt von den Nutzern gewählte Lautstärke.

Links: Die Lautstärkeregelung wurde veeinfacht. Mitte: Der neue Screenshot-Editor. Rechts: App Actions im Pixel Launcher.
Screenshots: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Die Screenshot-Funktion ist nun wesentlich einfacher zu erreichen, und zwar über das Power-Menü: Wer auf den Ausschaltknopf drückt, erreicht jetzt also auch einen Eintrag, um Bildschirmfotos zu tätigen. Bisher war all dies hinter eine Tastenkombination versteckt. Zudem hält ein neuer Screenshot-Editor Einzug, der einfache Bearbeitungen wie Zuschneiden oder farbliche Markierungen erlaubt, und das umgehende Teilen ermöglicht. Hier sei noch einmal extra darauf verwiesen, dass wir über Neuerungen beim unmodifizierten Android reden, so mancher Dritthersteller bietet Ähnliches schon länger.

Wetter und mehr

Am Ambient Display werden auch wenn der Bildschirm eigentlich aus ist, laufend Informationen in einer Art reduzierten und somit stromsparenden Ansicht dargestellt. Mit Android P baut Google seine Lösung in diesem Bereich deutlich aus. So werden hier nun auch das aktuelle Wetter sowie anstehende Kalendereinträge präsentiert. Auch der aktuelle Akkustand wird jetzt immer angezeigt, und zwar als Prozentwert am unteren Bildschirmrand.

Emoji Time

Ob es allen gefällt oder nicht: Emojis sind ein viel genutzter Bestandteil der Online-Kommunikation. Mit Android 9 bringt Google sein Betriebssystem diesbezüglich auf den neuesten Stand: Insgesamt 157 neue Emojis gibt es durch das Update auf Unicode / Emoji 11.0. Die Palette reicht dabei von einem frierenden Smiley über ein Lama bis zum Skateboard. Zudem sind nun viele Personen darstellende Emojis nicht mehr eindeutig einem Geschlecht zuordenbar, während es weiterhin männliche oder weibliche Alternativen gibt. Auch Varianten mit roten Haaren sind zum Teil hinzugekommen. Dem Vorbild anderer Anbieter folgt man mit der Umwandlung der Pistole in eine Wasserpistole, und dann wäre da noch der Grund für den seltsamsten Mini-Shitstorm des Jahres: Aus dem Salat wurde das Ei entfernt, womit dieser vegan wird – virtuell versteht sich.

Einige der neuen Emojis in Android 9.0.
Grafik: Google / Emojipedia

Viele nette Details

Anders verhält sich Android 9 beim Drehen des Smartphones: Ist das Gerät fix auf Portrait- oder Landscape-Ansicht eingerichtet, wird nach dem Rotieren ein zusätzliches Icon in der Navigation angezeigt, das einen manuellen Wechsel zwischen den beiden Darstellungsmodi ermöglicht. Bisher musste man dafür in die Schnelleinstellungen wechseln – oder gleich den Auto-Rotate-Modus verwenden, der aber den Nachteil hat, oft unerwünscht zu reagieren, etwa wenn man seitlich liegend gerade etwas liest.

Gerade solche kleinen Details sind es, die bei Android 9 positiv auffallen: Dazu gehört auch, dass das Timeout für die automatische Bildschirmsperre zurückgesetzt wird, wenn der Fingerabdruckscanner berührt wird. So reicht dann eine kurze Berührung, um sicherzustellen, dass der Bildschirm sich nicht abschaltet, wenn man mal etwas länger braucht, um etwas zu lesen. Ebenfalls in diese Kategorie fällt, dass der WLAN-Hotspot automatisch deaktiviert wird, wenn kein Gerät mehr damit verbunden ist, und so der Akkuverschwendung Einhalt geboten wird. Zudem kann nun für jedes WLAN manuell festgelegt werden, dass dieses nur ein begrenztes Datenvolumen bietet, und entsprechend der Datenverbrauch bei einer Verbindung immer minimiert werden soll. Bisher erfolgt diese Erkennung automatisch, was aber nicht in allen Fällen immer korrekt klappt. Und dann wären da noch Verbesserungen an der Textauswahl, wie bei iOS wird nun der entscheidende Teil vergrößert, um eine exakte Positionierung zu erleichtern.

Ebenfalls gut mitgedacht: Das Bluetooth-Icon wird in der Statuszeile nun nur mehr dann angezeigt, wenn auch wirklich eine aktive Verbindung vorhanden ist – und nicht einfach nur, weil der Bluetooth-Support an ist. Überhaupt wurde die Statuszeile leicht angepasst, so ist die Uhr ganz nach links gewandert. Dies geht mit einer anderen Neuerung einher: Android unterstützt jetzt offiziell Display Cutouts, also den sogenannten "Notch" wie er von vielen aktuellen Smartphones bekannt ist. Entwickler können dabei über Schnittstellen die jeweilige Größe des Ausschnittes abfragen, um ihr Design anzupassen – wenn gewünscht.

Ein nettes Detail in Android 9.0: Ist Autorotate deaktiviert, wird beim Drehen des Bildschirms nun ein Button eingeblendet, der einen manuellen Wechsel zwischen Portrait- und Landscape-Ansicht ermöglicht.
Screenshot: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Bitte nicht stören

Änderungen gab es am "Do not Disturb"-Modus, was zunächst vor allem heißt: Er wurde vereinfacht. Statt verschiedener Nutzungsmodi gibt es jetzt also nur mehr einen, im Gegenzug kann dieser besser den eigenen Bedürfnissen angepasst werden. Trotzdem wird hier so manchem User das eine oder andere Feature abgehen. Neu ist dafür die Möglichkeit, Benachrichtigungen komplett auszublenden, wenn "Do Not Disturb" aktiviert ist – bisher wurden sie einfach lautlos dargestellt. Der neue Ansatz ist dabei auch die Default-Einstellung, was nach dem Update etwas verwirrend sein kann – zum Glück informiert Google über eine Benachrichtigung über das veränderte Verhalten.

Slices

Ebenfalls als Teil von Android 9 angekündigt: Mit der neuen Version können Entwickler Teile ihrer Apps an anderer Stelle einbinden. Das Ganze nennt sich "Slices", und sorgt beispielsweise dafür, dass künftig eine aktuelle Buchung direkt als Suchergebnis am Gerät geliefert werden kann – und zwar im Stil der eigenen App, und mit der Möglichkeit direkt zu interagieren. Klingt alles sehr interessant, bisher ist davon aber noch nichts zu bemerken. Und das verwundert auch nicht, laut Google sollen die Slices nämlich erst im Herbst nachgereicht werden.

Einstellungsfragen

Der allgemeinen grafischen Auffrischung des Systems folgen auch die Schnelleinstellungen, deren Knöpfe nun blaue Highlights verwenden, zudem wirkt das Design aufgeräumter. Ebenfalls positiv fällt auf, dass nun ein Touch auf die Uhrzeit an dieser Stelle die passende App öffnet. Was allerdings nervt: Zum gefühlt hundertsten Mal ändert Google die Art wie die Schnelleinstellungen funktionieren. Die Möglichkeit die Namen unter den Icons anzuklicken, um zu weiteren Einstellungen zu kommen, wurde gestrichen. Stattdessen beschränkt sich das ganze nun auf zwei simple Interaktionsmöglichkeiten: Ein kurzer Touch auf das Icon wechselt zwischen "Ein" und "Aus", ein langer Touch führt zu Detaileinstellungen. Das ist zwar an sich durchaus logisch, aber ganz generell fragt man sich schon, was die zuständigen Entwickler eigentlich machen, wenn sich die User dann nach jedem Upgrade wieder umgewöhnen müssen.

Die vollständigen Systemeinstellungen wurden ebenfalls überarbeitet, wobei sofort die farblichen Highlights für die einzelnen Kategorien auffallen. Das erinnert nicht nur an Samsung-Smartphones, es fällt auch ziemlich aus dem restlichen Design-Rahmen des Systems. Die Akku-Informationen wurden grundlegend überarbeitet, und informieren dabei gezielt, wenn eine App zu viel Strom verbraucht – samt der Möglichkeit diese zu begrenzen. Auch auffällig: Der Battery Saver-Modus färbt nicht länger Statuszeile und Navigationsbereich orange ein, stattdessen wird das Akku-Icon rot umrandet. Eine wesentlich dezentere und somit angenehmere Lösung. Desweiteren lässt sich nun ein beliebiger Prozentwert als Grenze für die Aktivierung diese Sparmodus einstellen. Außerdem analysiert Android jetzt auch für diese Aufgaben die Gewohnheiten der User, um besser einschätzen zu können, wann der Akku leer sein wird. Sieht Android dabei, dass es bald knapp werden könnte, wird zusätzlich mittels einer Benachrichtigung angeraten, den Battery-Saver-Modus zu aktivieren.

Links: Die Systemeinstellungen präsentieren sich unerwartet bunt. Mitte: Die USB-Wahl ist nun übersichtlicher. Rechts: Die Akkueinstellungen liefern Details, wenn einzelne Apps unerwartet viel Strom verbrauchen.
Screenshots: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Die Standorteinstellungen wurden in Android 9 vereinfacht, so gibt es von Haus aus nur mehr ein simples An/Aus für alle diesbezüglichen Funktionen. In den Detaileinstellungen lässt sich dann aber sehr wohl noch festlegen, ob man hierfür nur GPS oder GPS plus WLAN/Mobilfunknetz heranziehen will. Ein einzelnes Deaktivieren von GPS ist damit aber nicht mehr möglich. Außerdem wurden die USB-Einstellungen aufgeräumt und die Systeminformationen neu sortiert, wobei hier einige Detailinfos nun "besser" versteckt sind. Der "System UI Tuner", über den bisher – versteckt – gewisse Anpassungen am User Interface vorgenommen werden konnte, ist hingegen ganz verschwunden. Einige zusätzliche Detaileinstellungen gibt es dann aber doch noch, und zwar an anderer Stelle versteckt – in den Entwicklereinstellungen.

Digital Wellbeing???

Wer frühere Berichte zu Android 9 aufmerksam verfolgt hat, der wird sich jetzt denken: Da fehlt doch etwas! Und hätte damit recht. Die vor einigen Monaten groß angekündigten Neuerungen zur Bekämpfung von Smartphone-Sucht fehlen derzeit nämlich noch komplett. Ganz überraschend kommt das allerdings nicht, hatte Android-Entwicklungschef Dave Burke doch schon Anfang Mai exakt dies gegenüber dem STANDARD bestätigt. In Hinblick auf all die betreffenden Features wie ein Dashboard, das die für alle Smartphone-Aktivitäten aufgebrachten Zeit protokolliert, die Möglichkeit zeitliche Limits für Apps festzulegen oder auch die Aktivierung einer Graustufendarstellung in der Nacht, müssen sich die Nutzer also noch gedulden. Oder aber sie haben ein Pixel-Smartphone mit Android 9: Hier ist es nämlich ab sofort möglich, die Teilnahme am Beta-Programm für diese Features zu beantragen. Die offizielle Freigabe soll dann "später dieses Jahr" folgen, wie das offizielle Wording heißt. Dabei sollen einmal mehr zuerst Pixel-Geräte bedacht werden, gefolgt von Smartphones mit Android One und nicht näher spezifizierten "anderen Geräten".

Die neuen "Digital Wellbeing"-Features gibt es vorerst nur als Beta – exklusiv für Pixel-Geräte.
Grafik: Google

Verfügbarkeit

Android 9.0 "Pie"-Update ist ab sofort für Googles Pixel-Smartphones der ersten und zweiten Generation verfügbar. Um das Update zu bekommen, reicht es manuell eine Suche nach einem Update in den Systemeinstellungen durchzuführen. Die zugehörigen Factory Images und Full System OTAs stehen ebenfalls bereits zum Download. Nexus 5X und Nexus 6P werden die neue Version hingegen nicht mehr erhalten, da sie mittlerweile die erweiterte Support-Phase erreicht haben, in der es nur mehr Sicherheitsaktualisierungen gibt. Dasselbe gilt für das Tablet Pixel C. Parallel dazu hat Google mit der Veröffentlichung des Quellcodes von Android 9 begonnen, womit auch Community-Entwickler mit der Anpassung ihrer eigenen Android-Varianten beginnen können.

Bleibt die Frage, wann die ersten Dritthersteller Updates liefern werden, und hier gibt es zumindest vorsichtig erfreuliche Nachrichten: Noch vor Ende Herbst sollen jene Partner, die am Beta-Programm teilgenommen haben – das wären also Sony Mobile, Xiaomi, HMD Global (Nokia), Oppo, Vivo, OnePlus, und Essential – erste Updates für ihre Geräte ausliefern. Unterstützte Android-One-Geräte sollen ohnehin allesamt in diesem Zeitraum mit Android 9 versorgt werden. Dass all dies ein Maximalrahmen ist, demonstriert denn auch gleich Hardwarehersteller Essential, für dessen PH-1 Android 9 umgehend verfügbar ist – also zeitgleich zu Googles eigenen Geräten. Wie es bei anderen Herstellern aussehen wird, ist wie gewohnt noch vollständig offen. Ist hier doch oft der fehlende Wille zur Update-Lieferung das größere Problem als technische Hürden. (Andreas Proschofsky, 6.8.2018)