Heiko Vogel agierte in der Coaching Zone sehr aktiv und sagt: "Beide Ergebnisse werden nicht ganz dem gerecht, wie wir uns verkauft haben".

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Graz – Perfektion gibt es bekanntlich nicht. Der SK Sturm hätte aber zwei perfekte Tage gegen Ajax Amsterdam gebraucht, um die 2. Qualifikationsrunde der Champions League zu überstehen. Dieses Vorhaben misslang. Das Abenteuer Königsklasse ist nach dem 1:3 im Rückspiel am Mittwochabend in Graz beendet.

"Ajax ist verdient weiter". Darüber waren sich unisono alle Beteiligten der Steirer einig. Trotzdem saß die Enttäuschung tief, weil mehr möglich schien. Nicht unbedingt Richtung Aufstieg, sondern weil sich die "Blackies" unter Wert verkauft fühlten. "Der Gegner war um mehrere Nuancen besser. Glückwunsch. Beide Ergebnisse werden aber nicht ganz dem gerecht, wie wir uns verkauft haben", sagte Trainer Heiko Vogel.

Vogel trauert Ballbesitz und erster Halbzeit hinterher

Nach dem 0:2 im Hinspiel in Amsterdam musste Sturm den schweren Spagat meistern, ja kein Auswärtstor zu kassieren, aber offensiv Gas zu geben, ohne die Abwehr zu entblößen. "In Amsterdam wollten wir Ajax den Ball geben. Heute nicht, das haben wir gut gemacht. Rückwirkend ärgere ich mich und nehme das auf meine Kappe. So hätten wir auch im Hinspiel spielen sollen. Meine Mannschaft kann gut mit dem Ball umgehen", sagte Vogel. Mit 60 Prozent Ballbesitz für die "Blackies" entwickelte sich ein teils offener Schlagabtausch.

"Wir konnten uns in der ersten Halbzeit sehr gut entfalten. Ajax hatte wenig Zugriff auf unser Spiel. Der feine Unterschied war: Sie waren im letzten Angriffsdrittel präziser und zielstrebiger", erklärte Vogel. Davor klappte die spielerische Linie durchaus zufriedenstellend. Bei Ballgewinn wurde schnell nach vorne kombiniert. Dort war aber Endstation. Große Torchancen blieben für die Hausherren so Mangelware. Philipp Hosiner, der mit Sandi Lovric für Lukas Grozurek und Anastasios Avlonitis neu in die Startelf rutschte, sah in der 37. Minute seinen freistehenden Angriffspartner Emeka Eze nicht.

Stefan Hierländer sagte: "Wir trafen vorne falsche Entscheidungen oder spielten einen schlechten letzten Pass. Deshalb haben wir unser Ziel, das erste Tor zu erzielen, leider nicht geschafft. Das tut weh, weil wir das Spiel offen gestalten konnten".

Einbruch nach Gegentor

Stattdessen landete der dritte gefährliche Gäste-Konter im Tor. Klaas-Jan Huntelaar traf in der 39. Minute zum 1:0. Auch ein feiner Unterschied für Vogel: "Der "Hunter" trifft den Ball nicht gescheit und durch den Drall trudelt er über die Torlinie". Aufgrund der Auswärtstorarithmetik die Vorvor-Entscheidung in Graz-Liebenau. Der Anfang vom Ende an diesem Abend. Vogels Pausendevise, das Spiel zu gewinnen, scheiterte drei Minuten nach Wiederbeginn. Dusan Tadic schloss einen mustergültigen Konter zum 2:0 ab. "Wenn man so aus der Pause startet, denkt man danach schon an Innsbruck."

Für den nächsten Bundesliga-Gegner (Samstag, 17 Uhr) will Sturm aus dem CL-Kurzausflug lernen. "Nach dem Gegentreffer sind wir nur noch dem Ball hinterhergerannt und haben keinen Ball gesehen. Ajax hat das sehr gut gemacht. Von der Raumaufteilung kann man sich viel abschauen, wie sie ohne Ball spielen", sagte Hierländer.

Jörg Siebenhandl, im Hinspiel noch Unglückrabe beim ersten Gegentreffer, durfte sich danach jedenfalls nicht über mangelnde Beschäftigung beschweren. Hierländer entschuldigt sich beinahe bei seinem Schlussmann: "Wir haben danach brutale Fehler in der Restverteidigung gemacht. Unsere letzte Kette stand zu hoch". Das lud Ajax zum Kontern förmlich ein.

Es hätte nicht sein sollen für den SK Sturm. Hier im Bild Sandi Lovric (links) und Lukas Spendlhofer.
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Wöber mit gelungenem Heim-Auftritt

Den 15.172 Zusehern in der ausverkauften Merkur-Arena war das egal. Die Nordkurve sang beinahe 90 Minuten durch. Einzig einmal folgten Pfiffe: Als Ex-Rapidler Maximilian Wöber in der 75. Minute für Carel Eiting eingewechselt wurde.

Der ÖFB-Legionär im Dienste des niederländischen Rekordmeisters bedankte sich auf seine Art und legte Huntelaars zweiten Treffer (77.) zum 3:0 auf. "Ein wichtiger Schub fürs Selbstvertrauen", sagte der 20-Jährige angesichts der ungünstigen Konkurrenzsituation mit Neuankömmling Daley Blind.

Sein Coach Erik ten Hag sprach von einem verdienten Sieg, wollte "aber keine Arroganz sehen. Österreich steht in der 5-Jahreswertung besser da als die Eredivisie. Sturm hat anfangs gut mitgehalten."

Aus Fehlern lernen

Dass es danach doch noch deutlich wurde, schmerzte Hierländer besonders. Tormann Andre Onanas Eigentor (89.) nach einem hoppelnden Rückpass bedeutete letztlich nur noch Ergebniskosmetik.

Diese soll aber wie das ganze Spiel für einen Lerneffekt im Team sorgen. "Die erste Halbzeit war ein Schritt in die richtige Richtung", betonte Vogel, der augenzwinkernd auch der Losfee Teilschuld gab. "Da begann die Fehlerkette", kommentierte er das parallele 1:4-Aus von Ex-Klub Basel, dem einzigen möglich gewesenen anderen Sturm-Gegner anstelle von Ajax, gegen PAOK Saloniki.

Während die Niederländer nun auf Standard Lüttich treffen, geht es für die Grazer in der Europa League gegen AEK Larnaca (Zypern) oder Dundalk (Irland) weiter. Das Hinspiel endete 0:0. Lieblingsgegner hat Peter Zulj, der sich angesichts der Transfergerüchte alle Optionen offen ließ, aber keinen: "Ich kenne beide Mannschaften nicht".

Ausgerechnet aus den Reihen des Siegers erntete Sturm jedenfalls Zuspruch. So meinte Wöber: "Sie haben 100-prozentig das Potential, um in die Gruppenphase der Europa League zu kommen". 100 Prozent klingen fast nach Perfektion. (Andreas Gstaltmeyr aus Graz, 02.08.2018)