Die österreichische "Streitkultur" besteht u. a. darin, dass jeder, der nicht weit rechts steht, automatisch als "links" angesehen wird, im Fall besonderer intellektueller Anstrengung sogar als "links-links". Dass es so etwas wie liberal geben könnte – von liberal-konservativ über sozial-liberal, von rechtsliberal bis linksliberal, von gesellschaftspolitisch liberal bis wirtschaftspolitisch liberal -, das fällt den Freunden des Schwarz-Weiß-Malens echt nicht ein.

Oft ist das der Ausdruck von Gedankenlosigkeit und einer historischen Verankerung im Freund-Feind-Denken. Manchmal ist es aber genau das – und noch etwas dazu: nämlich der Versuch, die Grenzen der Diskussion nach rechts zu schieben.

Womit wir bei dem "Krone"-Kolumnisten Michael Jeannée wären. Der ist so reaktionär, dass es schon wieder komisch ist, und jedenfalls Kandidat für einen Eintrag im großen Sammelband "Unterirdisches aus der Krawallzeitungswelt".

Nun probiert es Jeannée mit Hintreten gegen den ehemaligen Raiffeisen-Chef und "Kurier"-Aufsichtsratspräsidenten Christian Konrad. Der hat in der katholisch-liberalen "Kleinen Zeitung" erklärt, dass ihn, den christlich-sozialen Gründer einer karitativen NGO, in der Flüchtlingsfrage doch einiges von Kanzler Sebastian Kurz trenne. Eine interessante Auseinandersetzung unter konservativ-katholischen Persönlichkeiten.

Das gefällt Jeannée nicht. Verwundert niemanden, der ihn und die Linie der "Krone" in der Flüchtlingsfrage und die an Verehrung eines Sektengurus gemahnende Haltung zu Kurz kennt. Aber da gibt es noch etwas: Jeannée nutzt die Gelegenheit, um den Eigentümern des "Kurier" ihre Zeitung schlechtzumachen. Die hätten "genug von 'links' im Kurier" und von Chefredakteur Brandstätter, der wiederum Konrad "hörig" sei.

Begriffsmanipulation

Hier haben wir ein schönes Beispiel für Begriffsmanipulation: Wer nicht so rabiat rechts ist wie die "Krone", ist "links".

Die Vorstellung, der "Kurier" sei links, ist zum Lachen. Die Zeitung war immer bürgerlich- konservativ bis bürgerlich-liberal, seit den Tagen des großen Hugo Portisch, und auch unter Helmut Brandstätter. Die "Krone", mit der der "Kurier" in der Mediaprint zusammengespannt ist, hat hier eine "hidden agenda". Sie hat immer versucht, den "Kurier" unter ihren ideologischen Einfluss zu bekommen. Bisher vergeblich.

Die Eigentümer des "Kurier" wären auch sehr schlecht beraten, sich davon beeinflussen zu lassen. Der Markt für rechte, rechtspopulistische Zeitungen ist in Österreich ausreichend abgedeckt. Da ist die "Krone" (deren marktbeherrschende Stellung allerdings schwächer wurde), da ist (mit Abstrichen) Fellners "Österreich". Der "Kurier" hätte hier nichts zu gewinnen.

Die Rechten und Rechtspopulisten versuchen derzeit in ganz Europa, ihre Begriffe durchzusetzen, die Meinungsvorherrschaft zu erreichen und ihr "Framing" als alleinigen Maßstab zu setzen. Die Probleme der Gegenwart, vor allem das Migrantenthema, sollen nur noch in rechter Terminologie diskutiert werden dürfen. Das ist natürlich absoluter Quatsch, aber nicht ungefährlich. Aufgabe der seriösen Publizistik – von wertkonservativ bis liberal – ist es, diesem Überwältigungsversuch zu begegnen. Und zwar mit den Mitteln der Aufklärung, der begrifflichen Klarheit und der Fairness. Zeitungen wie der STANDARD, der sich als liberal versteht, haben da dieselben Interessen wie etwa die konservative Konkurrenz ("Die Presse", die starken Bundesländerzeitungen).

Rechts oder gar sehr rechts zu sein ist per se nicht illegitim (wenn es nicht um Hetze oder Schlimmeres geht). Aber die Duldsamkeit hört sich auf und wird zur Pflicht zum Widerspruch, wenn demokratisch, rechtsstaatlich oder humanitär Bedenkliches zum alleinigen Maßstab werden soll. (Hans Rauscher, 31.7.2018)