Yi Liu führt einen Topchinesen in Wien-Währing – inklusive Kegelbahn und Gastgarten mit Grcic-Möbeln.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Chao Shou – in mit Sesam und fermentierten Bohnen gewürztem Chiliöl versenkt, mit köstlich saftiger Fleischfülle und wie ein Sack zugedreht – sind außerordentlich gut.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Im Garten stehen die Konstantin-Grcic-Stühle dicht an dicht, im Inneren belgisches Designermobiliar neben einem lebensgroßen goldfarbenen Buddha, der aus einem Alkoven lacht wie ein verschmitzter Witz aus der Vergangenheit: Sieht ziemlich gut aus, das einstige Liu's Wok an der Ecke Martin- und Schopenhauerstraße, das seit vergangenem Jahr Liu Liu heißt. Vor Jahrzehnten war hier ein Vorstadtwirtshaus, davon zeugt noch die – voll in Betrieb stehende – Kegelbahn.

Hui und Yi Liu sind hier in zweiter Generation die Betreiber, ihr Gymnasiasten-Wienerisch ist dementsprechend cottagemäßig gefärbt. Die Speisekarte hingegen wirkt auf den ersten Blick nicht so, als ob sich hier ein zeitgenössisches chinesisches Restaurant mit Haltung fände.

Sie verspricht das weithin gefürchtete Mischmasch aus westlichem China-Food wie knuspriger Ente oder Acht Schätzen mit Fantasy-Sushi ("Mango-Sushi-Burrito"), ein paar ostasiatischen Crowd-Pleasern wie Bulgogi und den üblichen Verdächtigen aus der thailändischen Ramschecke, von Curry Rot bis Pad Thai.

Einer der Besten

Wer einen guten Chinesen sucht, würde sich angesichts so einer Karte schleichen. Kann man nachvollziehen, wäre aber ein Fehler. Auf den zweiten Blick offenbart das Liu Liu nämlich Qualitäten, die ihm einen der vorderen Plätze auf der Liste der besten Chinesen Wiens sichern sollten.

Einen gültigen Eindruck der Küche verschafft man sich am Besten beim "Eat like Liu Liu"-Menü, das aber ein, zwei Tage im Voraus bestellt werden muss. Um kaum 70 Euro für zwei Personen gibt es eine saisonal variierte Auswahl an Speisen, wie "wir selbst sie gern essen", sagt Yi Liu. Glaubt man gern, Qualität, Finesse und Frische dessen, was dann aufgetragen wird, schreibt sich einem nämlich ins Gedächtnis.

Stets ist eine reichhaltige Suppe dabei, mit hocharomatischen Pilzen und Meeresfrüchten zum Beispiel, von charakteristisch glibberiger Konsistenz, sodass sie dem Vorurteil von der schamlos vorfabrizierten Glutamatbombe Vorschub leistet – aber von so fein ausbalanciertem Geschmack ist, dass sich das gleich als ängstliche Kleingeistigkeit erweist.

Dann zwei, drei elaborierte Salate (fantastischer Seetangsalat mit Erdnüssen etwa), gefolgt von verschiedenen Teigtaschen (frittiert und gedämpft), die sich schnell als heimliche Spezialität des Hauses erweisen. Ganz speziell die Chao Shou (siehe Bild) – in mit Sesam und fermentierten Bohnen gewürztem Chiliöl versenkt, mit köstlich saftiger Fleischfülle und wie ein Sack zugedreht – sind außerordentlich gut.

Schließlich mehrere Wok-Gerichte, von denen eines besser schmeckt als das andere. Heilbutt, erst frittiert, dann mit Pilzen und Grünzeug in einer zart säuerlichen Sauce angemacht, ist großartig; Schweinsbauch mit Chili und Lauchsprossen vielleicht noch besser; ganz kurz und knackig gebratene Stiele einer Kohlart schließlich, mit wenig Knoblauch und dem rauchigen Geschmack der Wok-Flamme gewürzt, wunderbar.

Faltenwurf

Von der Standardkarte empfehlen sich die bereits erwähnten Chao Shu ebenso wie knusprige Jiaozi mit dickem, wunderbar bissfestem Teig oder kunstvoll gefaltete Xiaolongbao aus Germteig, mit allerhand getrockneten Pilzen und Gemüse gefüllt: fleischlos, aber Umami pur.

Manchmal stehen auch Xiao Bing, knusprig fettige Teigfladen mit Fleisch-Gemüse-Füllung auf der Karte, die aber nur Yis Mutter wirklich perfekt hinbekommt. Es lohnt, danach zu fragen.

Wieningers Wiener Trilogie 2011 ist dazu ein ideal gereifter, um 28 Euro unverschämt attraktiv gepreister Begleiter. Die Cocktails und kunstvoll arrangierten Fruchtsaftdrinks sollten aber auch ihre Freunde finden. (Severin Corti, RONDO, 3.8.2018)

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