Wien – Jedes Jahr wird bei 5.000 Österreichern ein Prostatakarzinom diagnostiziert. Das entspricht rund einem Viertel aller Tumorneuerkrankungen bei Männern und ist hierzulande die häufigste Krebserkrankung bei Männern. Jährlich fallen ihr rund 1.150 Patienten zum Opfer.

Lange Zeit musste sich die onkologische Forschung auf die Untersuchung von Einzelzellen und Zellkulturen beschränken – was aber kaum Aufschlüsse zu Tumorentstehung und Tumorwachstum ermöglichte. Wiener Wissenschafter (MedUni Wien/AKH) nutzen nun die sogenannte Organoid-Zellkulturtechnik zur realitätsnahen Erforschung des Prostatakarzinoms. Organoide sind künstlich gezüchtete Organ-Entsprechungen in Miniaturausgabe und zeigen trotz ihrer geringen Größe organähnliche Eigenschaften.

"Es ist wirklich spannend. Diese 3D-Zellkulturen aus Drüsenepithelzellen – man kann sie aus faktisch aus jeder Zelle der Prostata züchten – verhalten sich wie eine echte Drüse. Sie produzieren beispielsweise Sekret und geben es über in ihnen gebildete Kanäle ab", sagte Onkologe Michael Krainer, in dessen Wissenschafterteam sich Max Marhold nach Forschungsaufenthalten auch in den USA mit der Technik beschäftigt. Züchten lassen sich damit auch "echte" Prostatakrebs-Organoide – das kann sogar aus Zellen von betroffenen Patienten erfolgen.

Bisherige Probleme

Das noch junge Verfahren erleichtert gerade in der Forschungen zum Prostatakarzinom die wissenschaftliche Arbeit. Die Tumore sind inhomogen, was die in ihm vorkommenden Zellpopulationen angeht. Gewebematerial für Untersuchungen von Patienten ist ausgesprochen "knapp".

Wird im Rahmen einer Operation die Prostata entfernt, kommt das Gewebe zum Pathologen. Mit der Aufarbeitung der Probe und Einbettung in Paraffin für die Untersuchung von Gewebeschnitten unter dem Mikroskop ist es mit dem Vorhandensein von vitalen Zellen für molekularbiologische Untersuchungen vorbei. Die für eine umfassende Untersuchung notwendigen Daten jener Abläufe, die zu Prostatakrebs, zum Tumorwachstum und zur Metastasierung führen, lassen sich aus der Analyse von einzelnen Zellen und von Zellkulturen nicht gewinnen.

Krebs-Tiermodelle, zum Beispiel das Übertragen von humanen Tumoren auf Mäuse (Xenografts), welche das menschliche Zellmaterial tolerieren, haben wiederum den Nachteil, dass bei den Tieren das körpereigene Abwehrsystem lahmgelegt sein muss.

Der Fortschritt

"Die Organoide sind für das Prostatakarzinom ein besseres Modell. Sie lassen sich aus wenigen Zellen binnen rund zwei Wochen bis zu einer Größenordnung von an die 400 Mikrometer Größe (also 0,4 Millimeter) züchten", sagte Max Marhold, der im Rahmen der Forschungen die Techniken der 3D-Kulturen für das Prostatakarzinom etabliert hat und im Rahmen seiner Ausbildung auch von Gulio Superti-Furga (Forschungszentrum für Molekulare Medizin; CeMM) und dem Wiener Pionier der Organoid-Technik, Jürgen Knoblich (Institut für Molekulare Biotechnologie – IMBA) unterstützt wurde.

Abseits der Grundlagenforschung könnten diese Arbeiten mit den Prostatakarzinom-Organoiden in Zukunft auch in der Behandlung von Patienten eine Rolle spielen. "An Organoid-Zellkulturen könnte man am 3D-Modell aus Zellen des Karzinoms eines Patienten Pharmaka auf ihre Wirksamkeit austesten", meinten Marhold und Krainer.

Das Prostatakarzinom unterscheide sich nämlich von Patient zu Patient genauso wie der jeweilige Tumor selbst in seiner Zell-Zusammensetzung eine große Heterogenität aufweise. Gerade das lässt sich aber anhand der Organoide am besten nachstellen. Viele Jahre lang galt das Prostatakarzinom als durch Chemotherapeutika kaum beeinflussbar. Die Testung eine Zytostatika-Sensitivität könnte das ändern helfen. (APA, red, 27. 7. 2018)