Das Kraftwerk Rabenstein wird vollständig digitalisiert, was die Effizienz erhöhen und drohende Störfälle frühzeitig erkennen soll.

Foto: Verbund

Wien – Wo sich die Mur seit Jahrhunderten um die Burg Rabenstein schlängelt, blickt die Energiebranche derzeit gespannt auf ein womöglich wegweisendes Pilotprojekt. Das gut vier Jahrzehnte alte Kraftwerk Rabenstein soll sich in das europaweit erste vollständig digitalisierte Kraftwerk verwandeln. "Es ist einmal ein Test", bremst Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber anlässlich der Präsentation der Halbjahresergebnisse überzogene Erwartungen. Allerdings geht auch er von positiven Effekten der Kraftwerksdigitalisierung aus.

Aufbauend auf der Automatisierung und Fernsteuerung des Kraftwerks, was schon vor Jahren implementiert wurde, wird es nun zusätzlich digital erfasst und vermessen, die Daten liefern Drohnen und Roboter, die auch unter Wasser eingesetzt werden. Ziel ist es, auf diese Art den Zustand des Kraftwerks besser zu überwachen. "Dadurch können wir den Wirkungsgrad des Kraftwerks erhöhen", sagte Anzengruber. Durch maschinelles Lernen sollen hinter Störfällen Muster erkannt und auf diese Weise drohende Störungen künftig frühzeitig vorausgesagt werden.

Zudem sollen durch die Auswertung der Daten Korrelationen gefunden werden, die sich auch auf andere Kraftwerke übertragen lassen. Laufen soll das Pilotprojekt bis Ende nächsten Jahres, die Kosten beziffert Anzengruber mit einem "kleinen einstelligen Millionenbetrag" – ein Klacks angesichts der sprudelnden Gewinne des Verbunds im ersten Halbjahr.

Schulden auf Zehnjahrestief

Dank überdurchschnittlicher Wasserführung und nur geringfügig tieferer Absatzpreise von 29,30 Euro je Megawattstunde stieg der Konzernüberschuss bis Ende Juni um fast die Hälfte auf 228 Millionen Euro. Der freie Cashflow, die "ehrlichste Kennzahl, ungeschminkt und transparent", erhöhte sich um 30 Prozent auf 356 Millionen Euro. Daraus werden die Investitionen, vor allem in das Stromnetz und Stromspeicher, und der Schuldenabbau gespeist. Mit 2,65 Milliarden Euro sank die Nettoverschuldung im ersten Halbjahr auf den tiefsten Stand seit mehr als zehn Jahren. Zukäufe, die ins Geschäftsmodell passen, sind zwar grundsätzlich denkbar, derzeit sei aber nichts konkret.

Für das Gesamtjahr hat der Verbund seine Ergebnisziele vor kurzem nach oben revidiert und geht nun von einem Konzerngewinn von rund 370 Millionen Euro aus. Dabei sollen die erzielten Absatzpreise im Gesamtjahr auf 31,5 Euro steigen und im nächsten Jahr – auf Basis derzeitiger Niveaus – voraussichtlich mehr als 39 Euro je Megawattstunde betragen. Das gesamte Umfeld sei für den Verbund derzeit "äußerst positiv". Die Schattenseite: Auch Endverbraucher sollten sich für 2019 auf höhere Strompreise gefasst machen.

Im ersten Halbjahr zählte der Verbund zu den Spitzenreitern unter den börsennotierten Versorgern. Nach einem Kursgewinn von 65 Prozent lag die Marktkapitalisierung bei 11,5 Milliarden Euro, womit der Verbund nur um zwei Milliarden weniger wert war als der deutsche Energieriese RWE. "Wir liegen auf Augenhöhe mit den größten Utilities", sagte Finanzchef Peter Kollmann. (Alexander Hahn, 26.7.2018)