Schon im Jänner freute sich der Südtiroler Heimatbund in einer Plakataktion in Wien über die Doppelpass-Initiative. Jetzt wohl auch.

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Die Absicht der österreichischen Regierung, Südtirolern – aber nicht allen – die österreichische Staatsbürgerschaft zu ermöglichen, stößt in Italien auf wenig Gegenliebe. Der parteilose Außenminister Enzo Moavero Milanesi sprach von einer "wahrhaft seltsamen Initiative, deren Sinnhaftigkeit wir infrage stellen". Es handle sich schließlich um zwei Nachbarländer, die bereits durch die EU-Mitgliedschaft verbunden seien. Die Regierungsparteien Lega und Cinque Stelle äußerten sich ebenfalls klar ablehnend. Der Minister für parlamentarische Beziehungen Riccardo Fraccaro sprach von einer "unangebrachten und feindseligen Initiative".

Der Südtiroler Lega-Chef Massimo Bessone sieht einen Spaltungsversuch: "Unsere Partei steht allen drei Sprachgruppen offen. Daher sind wir gegen einen Pass, der nur deutschen und ladinischen Südtirolern gewährt wird und der Bürger erster und zweiter Klasse schaffen würde." Ähnlich äußert sich die Meraner Fünf-Sterne-Gemeinderätin Francesca Schir: "Wir lehnen jede Initiative ab, die zur Spaltung der Sprachgruppen beiträgt." Auch Silvio Berlusconis Forza Italia lehnt den Vorschlag durch die Südtiroler Abgeordnete Michaela Biancofiore "kategorisch ab". Einer der aktivsten Gegner ist der rechte Bozner Landtagsabgeordnete Alessandro Urzì: "Italien könnte sich an die Uno wenden, weil die doppelte Staatsbürgerschaft gegen die Streitbeilegungserklärung von 1992 verstößt, die den jahrzehntelangen Konflikt um Südtirol offiziell beigelegt hat."

Im Gegenzug forderten die Trentiner Schützen letzthin bei einer Pressekonferenz die Ausdehnung der Staatsbürgerschaftsidee auch auf Bewohner ihrer Provinz. Das vertritt auch die mit der Südtiroler Volkspartei (SVP) verbündete Trentiner Autonomistenpartei Patt: "Die österreichische Regierung muss auch die Nachfahren derer berücksichtigen, die dort unter der k. u. k. Monarchie gelebt haben." Ganz andere Töne schlägt die Vorsitzende der Rechtspartei Fratelli d'Italia, Giorgia Meloni, an: Sie beschuldigt Österreich der "aggressione diplomatica", der Nachbarstaat bereite die Sezession Südtirols vor.

Wieder auf den Titelseiten

In der italienischen Presse war das Thema in den vergangenen Monaten kaum noch ein Thema. Doch nach der später dementierten Ankündigung der "Tiroler Tageszeitung", es könnte schon im September eine Gesetzesvorlage geben, rückte es abrupt wieder auf die Titelseiten. Große Zeitungen wie die "La Stampa" und der "Corriere della Sera" widmeten dem Problem ausführliche Beiträge – fast alle mit dem Tenor, die italienische Souveränität werde verletzt.

Nun dürfte der "Doppelpass" zu einem Hauptthema im Südtiroler Wahlkampf werden: Im Oktober wird ein neuer Landtag gewählt. Dabei wird wohl die Südtiroler Volkspartei ins Visier der rechten Selbstbestimmungsparteien geraten, die ihr Verzichtspolitik vorwerfen. Die SVP hatte die doppelte Staatsbürgerschaft bereits vor Jahren in Wien zum Thema gemacht. Vor einigen Monaten trat Landeshauptmann Arno Kompatscher dann angesichts der hitzigen Auseinandersetzungen abrupt auf die Bremse. Der Doppelpass dürfe "keinen Keil in die Bevölkerung treiben".

"Sparsam mit Staatsbürgerschaften umgehen"

Diese Befürchtung teilt auch der in Verona lehrende und in Innsbruck promovierte Verfassungsrechtler und Minderheitenexperte Francesco Palermo: "Bisher mutet die Initiative reichlich verschwommen an. Man weiß ja nicht, ob die Gewährung des Passes an die Volkszählung oder an die Herkunft der Personen gekoppelt ist. Im zweiten Fall könnte ihn nämlich auch ein Trentiner beantragen", so Palermo. "Es ist eine internationale Empfehlung, mit der Vergabe von Staatsbürgerschaften sparsam umzugehen", meint der ehemalige SVP-Senator, der auf Differenzierungen besteht, um politischer Propaganda vorzubeugen. Eines ist für ihn klar: "Eine einseitige Initiative Wiens wäre auf jeden Fall problematisch."

In Wien versteht man die Aufregung nicht, man stehe mit Rom und Bozen in engem Kontakt, versichert Außenministerin Karin Kneissl (parteilos, auf FPÖ-Ticket). Kritik kommt von SPÖ-Chef Christian Kern im Gespräch mit der Südtiroler Zeitung "Dolomiten": Mit der europäischen Einigung gebe es schon längst eine gemeinsame Perspektive für Südtirol und Österreich. (Gerhard Mumelter aus Bozen, 24.7.2018)