Mitreden, aber nicht über Koalitionen: Burgenlands SPÖ-Chef Niessl, der auf Landesebene mit der FPÖ koaliert.

Foto: APA/EXPA/JOHANN GRODER

Wien – Geht es nach dem burgenländischen SPÖ-Vorsitzenden und Landeshauptmann Hans Niessl, dann sollen SPÖ-Mitglieder künftig mehr Mitspracherecht in der Bundes-SPÖ bekommen. "Die SPÖ muss sich viel stärker als Mitgliederpartei positionieren", sagte Niessl.

SPÖ-Mitglieder sollen demnach in Zukunft öfter zu wichtigen Fragen und inhaltlichen Themen Stellung nehmen können, Abgeordnete und Mandatare von den Mitgliedern in Vorwahlen ausgewählt und der Parteivorsitzende "in weiterer Folge" von der Parteibasis mitgewählt werden. "Bei einer Mitgliederpartei müssen die Mitglieder auch mitreden können", so Niessl.

Zweidrittelmehrheit für Verbleib

Kein Problem hat Niessl mit dem Vorhaben, dass SPÖ-Mandatare nach zehn Jahren Amtszeit bei einem weiteren Antreten eine Zweitdrittelmehrheit des bestellenden SPÖ-Gremiums brauchen. "Wenn ich nach zehn Jahren keine Zweidrittelmehrheit zusammenbringe, dann muss ich mir eh überlegen, was schiefgelaufen ist. Eine breite Zustimmung ist schon wichtig."

Lediglich bei der laut Parteireform geplanten Urabstimmung über Koalitionsabkommen empfiehlt der Landesparteichef der Bundespartei eine andere Vorgangsweise. "Ich bin eher dafür, vor Wahlen Befragungen zu machen, um nach Wahlen rasch handeln zu können. Weil so, wie ich die eine oder andere Partei kenne, machen die eine Koalition mit den anderen, wenn man zu lange zögert. Das halte ich für die effizientere Vorgangsweise, um nicht durch zu lange Gespräche nach der Wahl einen strategischen Nachteil bei Koalitionsverhandlungen zu haben."

Koalitionsvarianten kein Thema

Eine Urabstimmung über Koalitionsabkommen könnte "zum Nachteil der Sozialdemokratie" sein. "Ich habe einmal gesagt, Opposition ist Mist. Nicht weil ich die Oppositionsarbeit nicht schätze oder wegen der paar Regierungsämtern, sondern weil die kleinen Einkommensbezieher auf der Strecke bleiben. Das sieht man ja auch jetzt." Darüber hinaus gebe es ja auch den Wertekompass als Richtschnur für mögliche SPÖ-Partner.

Niessl geht aber ohnehin davon aus, dass sich die Koalitionsfrage für die SPÖ noch länger nicht stellen wird. "Schwarz-Blau hat die Koalition auf länger als fünf Jahre angelegt. Das wird meiner Meinung nach zehn Jahre dauern, und ÖVP und FPÖ werden noch viele Maßnahmen setzen, um den Staat umzubauen. Die Frage wird sein, wie lange die FPÖ den neoliberalen Kurs von Kurz ohne Widerspruch mitträgt."

Niessl befürchtet, dass die derzeitige Koalition selbst dann weitermacht, wenn die SPÖ bei der nächsten Wahl wieder stärkste Partei wird. "Wenn Schwarz-Blau eine Mehrheit hat, wird Schwarz-Blau fortgesetzt."

Harter Kurs in Migrationspolitik

Seinen SPÖ-intern teils umstrittenen und kritisierten Kurs in der Migrationspolitik – für Grenzkontrollen und verschärfte Zugangsbestimmungen nach Österreich – sieht Niessl heute bestätigt: "Wenn man sich die Ergebnisse der sozialdemokratischen Parteien in Europa anschaut, kann man nicht sagen, dass sie in allem richtig gelegen sind. Der Rechtsrutsch in Europa hat ja auch Gründe. Die Asylpolitik hat dazu beigetragen."

In Österreich habe davon vor allem Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz profitiert. "Sebastian Kurz und die Türkisen haben das beste Marketing aller politischen Parteien in Europa. Er hat eine gute Kommunikation, er hat eine sehr gute PR-Abteilung. Der Schein ist aber deutlich mehr als das Sein. Kurz war sieben Jahre in der Regierung und hat als Integrations- und Außenminister wenig Ergebnisse geliefert. Den Eindruck zu vermitteln, ich habe mit den ganzen Problemen nichts zu tun, ist eine kommunikative Meisterleistung", so Niessl.

Dass die Bundes-SPÖ inzwischen auf seinen Kurs der Migrationspolitik eingeschwenkt ist, nimmt Niessl gelassen. "Für mich ist das keine Genugtuung, aber trotzdem stelle ich fest, dass sich alle meine Befürchtungen bestätigt haben und ich in allen Forderungen recht bekommen habe. Ich habe den Grenzschutz gefordert und darauf hingewiesen, dass ein uneingeschränkter Zuzug das Ende des Sozialstaats bedeutet. Das hat weder was mit rechts oder links zu tun, sondern mit Vernunft." (APA, 23.7.2018)