Johann Baptist Björn Gudenus entstammt einem niederösterreichischen Grafengeschlecht. Er gilt als gebildeter Rechts-außen. Mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache verbindet ihn eine jahrzehntelange Freundschaft.

Foto: Regine Hendrich

Man sieht sie nicht immer. Aber bei gutem Licht, vom richtigen Winkel aus betrachtet, zeichnet die Narbe einen zartroten Halbkreis über seiner linken Augenbraue. Nach drei Gläsern Wein, da leuchte sie, sagt Johann Gudenus und lacht. "Ist den Histaminen geschuldet."

Drei Mensuren hat der Burschenschafter gefochten, doch seinen Schmiss hat er von einem Cocktailglas. Am Opernball 2011 schleuderte jemand sein Getränk samt Trinkgefäß in Richtung einer prominenten freiheitlichen Runde in der Kellerdisco. Das Ziel war Heinz-Christian Strache, getroffen wurde aber Gudenus, der politische Ziehsohn des FPÖ-Chefs und Vizekanzlers.

Gudenus, heute geschäftsführender Klubchef der Freiheitlichen im Parlament, habe in Strömen geblutet, der Täter wurde nie gefasst. "Zum Glück gibt es keine Fotos. Das hat nicht gut ausgeschaut", witzelt Gudenus, der Blaue fürs Grobe. Der gepflegte Adelsspross verfolgt eine recht plumpe Mission: Provokation. Gudenus gibt im politischen Diskurs Straches Kettenhund.

Härter durchgreifen

Zwar fiel zuletzt vor allem der blaue EU-Parlamentarier Harald Vilimsky mit alkoholischen Unterstellungen gegen Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf. Doch kein Freiheitlicher provoziert so regelmäßig mit kantigen Aussprüchen wie Johann Gudenus. Wörter wie "Umvolkung" und "Ethnomorphose" waren Teil seines Standardrepertoires. Heute spricht er lieber von "Wähleraustausch" durch die SPÖ, um von der NS-Diktion wegzukommen. Inhaltlich bleibt er aber dabei: Zu viele Muslime würden in Österreich eingebürgert. Bei einer FPÖ-Veranstaltung im Jahr 2013 versprach er: Stellten die Freiheitlichen einst den Innenminister, heiße es "bei Bedarf" auch "Knüppel aus dem Sack". Diese Metapher, sagt er heute, sei fehlinterpretiert worden. Er habe damit doch nur sagen wollen, dass der Rechtsstaat dann härter durchgreifen werde.

Aussagen, mit denen Nachwuchspolitiker Gudenus früher empörte, sind heute salonfähig. Im Jahr 2004 forderte er, dass Österreich eine Insel in der Adria pachten solle, um dort Flüchtlinge unterzubringen. Vorschläge der Regierung, keine Asylanträge auf EU-Gebiet zuzulassen, aber Flüchtlingslager in Drittstaaten zu errichten, gehen inzwischen viel weiter, als es Gudenus je aussprach.

Spricht man mit Parteifreunden über ihn, zeichnen die ein anderes Bild als das des aggressiven Haudegens. Gudenus sei im persönlichen Umgang mild und manierlich, er könne gut zuhören und sei kompromissbereit. "Er wurde als Rechts-außen positioniert und hat sich bemüht, diesen Auftrag zu erfüllen", glaubt ein Blauer. Gudenus selbst meint, er habe die Rolle des Provokateurs längst abgelegt: Die harten Sprüche seien seiner Jugend geschuldet gewesen.

Beharren auf Soros-Kritik

Das ist freilich eine Verharmlosung. Am Freitag ist Gudenus 42 Jahre alt geworden. Der "Knüppel aus dem Sack"-Sager ist bloß fünf Jahre her. Und erst vor einigen Wochen brachte er die gesamte Bundesregierung in Bedrängnis, als er erklärt hatte, es gebe "stichhaltige Gerüchte", dass der US-Milliardär George Soros "die Migrantenströme nach Europa" unterstütze. Derlei Behauptungen über den jüdischen Investor sind seit langem Teil antisemitischer Verschwörungstheorien. Schlussendlich distanzierte sich auch Kanzler Sebastian Kurz öffentlich von der Aussage.

Gudenus kann die Aufregung bis heute nicht verstehen: "Ich habe ja nicht unrecht damit", sagt er im Gespräch mit dem STANDARD in seinem Büro in der Reichsratsstraße. "Soros kann mit seinem Geld machen, was er will, aber er fördert nachweislich Vereine, die mit Migration und Islamisierung zu tun haben. Ich lasse mir keinen Maulkorb umhängen."

Sein Arbeitszimmer, vierter Stock, Blick über das Parlament, hat Gudenus von Strache übernommen. Zwei große Bilder des Parteichefs hängen noch immer über dem Besprechungstisch. In den kommenden Wochen wird das Büro generalsaniert, danach will Gudenus seinem Büro eine eigenständige Note verleihen.

Politisch ist er weniger eigenständig. Lieber folgt er Strache auf den Fuß: Zunächst wurde Gudenus dessen Nachfolger als Chef der Wiener Parteijugend. Als Strache Anfang des Jahres in die Regierung einzog, löste Gudenus, zuletzt Vizebürgermeister ohne Portefeuille, ihn gemeinsam mit Walter Rosenkranz als Klubchef im Nationalrat ab. Dazu stieg Gudenus, diesmal erstmals parallel zu Strache, zum geschäftsführenden FPÖ-Chef in Wien auf. Dort ist er quasi Straches "Statthalter".

Jahrzehntelange Freundschaft

Die beiden verbindet aber auch eine jahrzehntelange Freundschaft. Sie lernen einander Anfang der Neunzigerjahre kennen: Gudenus ist 15 Jahre alt, Strache FPÖ-Bezirkspolitiker in Wien-Landstraße. Gudenus' Vater, das blaue Urgestein John Gudenus, macht die beiden indirekt über das Parteiumfeld bekannt. Ein paar Jahre später holt Strache Gudenus junior in die pennale Burschenschaft Vandalia. Er wird sein Mentor, Gudenus Straches "Leibfuchs" – sein untergebener Verbindungsbruder.

Die Machtfülle Straches und die Loyalität seines Freundes stellen die Partei aber spätestens bei der kommenden Wien-Wahl vor Probleme: Ein Vizekanzler sei kein glaubwürdiger Spitzenkandidat im Kampf ums Bürgermeisteramt, das glauben sogar einige Freiheitliche. Joschi, wie Gudenus von Parteifreunden genannt wird, drängt aber nicht offensiv in die erste Reihe – weder im Bund noch in der Hauptstadt. Dafür fehle Gudenus auch das rhetorische Geschick, sagen manche. "Die Hausmacht des Joschi beschränkt sich auf die Freundschaft mit Strache", zischelt ein Blauer.

Wer Spitzenkandidat in Wien werde, "wird man sehen", weicht Gudenus aus. Ob er sich selbst als Straches logischen Nachfolger sieht? Die Frage stelle sich nicht. "Dass H.-C. Strache unser bestes Pferd im Stall ist, ist unbestritten."

In die Regierung hätte Gudenus nicht ohne gröberen Eklat einziehen können. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte schon während der türkis-blauen Koalitionsverhandlungen gewarnt, dass er den Rechtsaußen nicht angeloben werde. War der Klubchefsessel also nur ein Trostpflaster? "Ein Ministeramt für mich war kein Thema", sagt Gudenus. "Ich bin auf keiner Liste gestanden und nie von der Partei gefragt worden."

Aldane und Familienmensch

Schon seit Kindertagen kennt Gudenus "die Partei", seine Partei, die Freiheitlichen. Als Johann Baptist Björn Gudenus die Eliteschule Theresianum besucht, sitzt sein Vater John, der 2006 wegen NS-Wiederbetätigung verurteilt wurde, für die FPÖ im Bundesrat, später wird er Nationalratsabgeordneter – und kennt die richtigen Leute. Die Familie entstammt schließlich niederösterreichischem Grafengeschlecht. Anders als seine Brüder interessiert sich Johann bereits als Gymnasiast für die Politik des Vaters.

Stramm rechts ist Jung-Gudenus aber durch persönliche Erfahrungen geworden, wie er selbst erzählt: Als Teenager hört er Rap und Hip-Hop, Ice-T und Public Enemy, er trägt Baseball-Jacken und Schirmkappen. Mehrmals, sagt er, sei er Anfang der 1990er von Bandenmitgliedern der Red Brothers verprügelt worden. Die Gang besteht großteils aus Mitgliedern mit Migrationshintergrund. "Ich bin mit 14 öfters bei der Polizei gesessen und habe Aktenordner mit Verdächtigen durchgeblättert", sagt er. So etwas präge.

Er komme manchmal platt rüber, man dürfe Gudenus aber nicht unterschätzen, sagen Leute, die ihn gut kennen. Der Freiheitliche hat ein Jusstudium abgeschlossen, die Gerichtspraxis absolviert und die Diplomatische Akademie in Wien besucht. Er hat Kurse an der Lomonossow-Universität in Moskau belegt, spricht Russisch, Englisch und Französisch. Als Erwachsener trat er auch einer akademischen Burschenschaft bei: Seit 2010 ist er "Alter Herr" in der Aldania Wien.

Anfang April wurde Gudenus Vater einer Tochter, aus erster Ehe hat er einen Sohn im Volksschulalter. Seine zweite Frau Tajana ist serbischstämmig und bloggt über "Baby and Beauty". Im Vorjahr haben die beiden nach serbisch-orthodoxem Ritus in Banja Luka geheiratet. Derzeit habe er wenig Zeit für seine Familie, sagt der höfliche Hardliner – und schaut auf sein Handy. Er müsse jetzt los. "Die Mama abholen." (David Krutzler, Katharina Mittelstaedt, 21.7.2018)