Wien – Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hat ein Problem. Trotz ihrer ständigen Beteuerungen, sie sei gegen die Schließung von Unfallspitälern, glaubt ihr das die Belegschaft der Allgemeinen Unfallversicherung nicht. Auch der Vorsitzende der Wiener Christgewerkschafter, Fritz Pöltl, warf ihr vor, die "Unwahrheit" zu sagen. Befeuert wurden die Spekulationen zuletzt durch ein internes AUVA-Papier, in dem bereits konkrete Überlegungen über Schließungen angestellt wurden. Der STANDARD hat sich daher bei Experten umgehört, welche Strukturen sinnvoll wären und was die Unfallversicherung leisten soll.

***

WANN SIND ZUSAMMENLEGUNGEN SINNVOLL?

Die Zeit der vielen Kleinspitäler ist vorbei. Auch wenn kleinere Einheiten Patienten sympathischer sind, bei Krankenhäusern mit mehr als 200 Betten überwiegen nicht nur die wirtschaftlichen Vorteile, sagt Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien. Vereinfacht gesagt: Ein größeres Patientenaufkommen steigert die Routine der behandelnden Ärzte – mehr Fallzahlen, bessere Qualität.

Bei größeren Einheiten ist es auch besser möglich, verschiedene Leistungen zu bündeln: Röntgen, Magnetresonanz oder Sterilisation. Aber auch Bereiche wie die Personalverwaltung könnte an einem Standort sparsamer erledigt werden. Es gibt aber Grenzen: Mehr als 800 Betten gelten als ineffizient, sagt Czypionka.

Für den Mediziner sei es unerheblich, ob eine Verletzung bei der Arbeit oder in der Freizeit geschehe, sagen Gesundheitsökonomen.
Foto: Getty Images/iStockphoto

***

BRAUCHT WIEN ZWEI UNFALLSPITÄLER?

Beide Wiener Unfallkrankenhäuser liegen unter dem genannten Richtwert von 200 Betten. Das UKH Meidling verfügt über 174 Betten, das Lorenz Böhler über 128 Betten. Vor diesem Hintergrund könnte man sie daher ohne weiteres zusammenlegen, sagt Czypionka. Es gebe aber einen Haken: Es bräuchte einen Neubau, dieser würde sehr hohe Umstellungskosten verursachen. Unweit des UKH-Meidling würde es auch ein ÖBB-Grundstück geben, das sich dafür eignen würde. Mehr als informelle Vorgespräche gab es diesbezüglich aber nie.

Allerdings hat die AUVA, wie berichtet, bereits 2014 eine Machbarkeitsstudie vorgelegt, laut der eine Zusammenlegung sinnvoll sein kann. "Das isolierte Arbeiten ist nicht mehr zeitgemäß", sagt dazu Christian Fialka. Er ist ärztlicher Direktor des UKH Meidling und war in die Studie involviert. Geprüft wurde damals, die vorhandenen Kapazitäten des Lorenz Böhler (Wien-Brigittenau) sowie des Reha-Zentrums Weißer Hof (Klosterneuburg) nach Meidling zu verlegen. Es ging also um ein ähnliches Szenario, das jetzt im AUVA-internen Papier wieder durchgespielt wurde, wobei es dort auch heißt, dass es zu einer "bedarfsorientierten Anpassung der Gesamtbettenzahl" kommen könnte, was zumindest eine Reduktion offenlässt.

Unfallspitäler nicht isoliert betrachten

Aus Fialkas Sicht ist die Verlegung des Lorenz Böhler nun aber mehr oder weniger vom Tisch. Er plädiert überhaupt dafür, die Unfallspitäler nicht isoliert zu betrachten. "Wir brauchen die Anbindung an die Spitäler der Stadt Wien." Seit Jahren werde darüber verhandelt, kommt etwa ein Patient mit Schädel-Hirn-Trauma, der auch Verletzungen an Händen und Füßen hat, braucht es zusätzlich zu den Unfallchirurgen der AUVA allgemeine Chirurgen. "Wir bedienen uns bei den Kollegen", erklärt er die bereits funktionierende Zusammenarbeit zwischen UKH Meidling und dem nahen SMZ-Süd. Die Abgeltung der Leistungen behindere aber die Kooperation, da die Finanzierung der Fondsspitäler anders organisiert sei.

Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker sagt dazu, er sei für weitere "intelligente Kooperationen" offen. Erst unlängst wurde eine Vereinbarung zwischen dem AKH und dem UKH Meidling getroffen, um Ersteres zu entlasten. Die gänzliche Aufgabe des Standorts Lorenz Böhler ist für Hacker aber ausgeschlossen. Dieser sei auch für Patienten aus Niederösterreich und dem Burgenland enorm wichtig. Er sei daher über die Standortgarantie Hartingers erfreut, sagt Hacker. Zusatz: "Wir werden schauen, was ihr Versprechen wert ist."

Die UKHs müssen stärker mit anderen Spitälern kooperieren, meint Christian Fialka, ärztlicher Direktor des UKH Meidling.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

***

SOLL DIE UNFALLVERSICHERUNG AUCH FREIZEITUNFÄLLE BEHANDELN?

Historisch betrachtet, sollte die Unfallversicherung Arbeitsunfälle abdecken bzw. einen Anreiz schaffen, diese zu vermeiden. Darum wird sie auch über Dienstgeberbeiträge (1,3 Prozent der Lohnsumme) finanziert. Heute werden aber mehr als 80 Prozent der Patienten in den sieben Unfallkrankenhäusern wegen Freizeitunfällen behandelt, weshalb Wirtschaftskammer und Industrie auf eine Entlastung der Betriebe drängen.

Aus Versorgungssicht ist es jedenfalls sinnvoll, dass die Unfallversicherung nicht nur Arbeits-, sondern auch Freizeitunfälle abdeckt, meint der Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer. "Für den Mediziner ist es unerheblich, ob ich mir den Finger beim Garteln abgeschnitten habe oder mit einer Säge bei der Arbeit." Czypionka ergänzt: Versicherungstechnisch sei es sinnvoll, dass die AUVA Prävention, Versorgung und Unfallrenten aus einer Hand finanziere, damit auch ein Anreiz bestehe, Unfallrenten zu verhindern.

Das heiße aber noch nicht, dass die Unfallversicherung auch selber Spitäler betreiben müsse, sagt Pichlbauer. Aus seiner Sicht wäre es besser, sie organisatorisch in das öffentliche Gesundheitssystem zu überführen. Dann könnte man die "unerträgliche Querfinanzierung" innerhalb des Systems beenden. Was damit gemeint ist: Derzeit zahlt die AUVA rund 400 Millionen Euro für Leistungen anderer Versicherungsträger. (Marie-Theres Egyed, Günther Oswald, 20.7.2018)