Die gesetzlichen Voraussetzungen für Väterkarenz sind in Österreich gut.

Foto: Marisa Vranjes

Johannes Fraisl ist bei der Arbeit, seine Partnerin Romana beim drei Monate alten Baby zu Hause – so wie tausende andere Mütter in Österreich. Aber nicht mehr lang: Ab Herbst wird Johannes die Windeln wechseln und den Kinderwagen schieben. So haben sie es schon bei ihrem ersten Sohn gemacht, erzählen die beiden. Bereits vor dessen Geburt habe der Beschluss festgestanden, dass sie Kinderbetreuung, den Haushalt und das Geldverdienen halbe-halbe aufteilen. Das war sogar eine Voraussetzung fürs Kinderkriegen.

Gemeinsam haben sie das einkommensabhängige Karenzmodell gewählt, waren beide für sieben Monate zu Hause und arbeiteten danach 30 Stunden in Elternteilzeit. "Klar ist das ein organisatorischer Aufwand", erzählt Fraisl, der als Führungskraft in einem Wiener IT-Unternehmen arbeitet. Dafür war er dabei, als das Baby das Sitzen lernte und erstmals krabbelte.

Die Großeltern wohnen in Vorarlberg, in Wien hat das Paar nur wenig Hilfe. Dafür aber unterstützte der Arbeitgeber die Väterkarenz und ist auch diesmal voll dabei. Fraisl muss nicht um seine Karriere fürchten, wenn er sein Kind aufwachsen sehen will. Das klingt alles selbstverständlich, ist es aber nicht. Dieses Partnerschaftsmodell ist in Österreich immer noch die Ausnahme.

Ungenutzter Rechtsanspruch

Seit 1990 haben Männer die gesetzliche Möglichkeit zur Väterkarenz, seit 2004 auch einen Rechtsanspruch. Aber der bleibt meist ungenützt. Laut Familienministerium bezieht derzeit fast ein Fünftel der Väter Kinderbetreuungsgeld – und in Wien sind es sogar 28 Prozent. In Vorarlberg und im Burgenland bleiben nur zehn Prozent der Väter zu Hause. Und wer sich für Väterkarenz entscheidet, macht es meist nur kurz. Österreichweit werden gerade einmal fünf Prozent aller ausbezahlten Kinderbetreuungsgeldtage von Männern in Anspruch genommen. Das Gros der Kinderbetreuung bleibt damit immer noch an den Frauen hängen.

Vereinbarkeit, also das ständige Austarieren von Beruf und Familie, scheint auch 2018 kein großes Thema für Männer zu sein. Zu diesem Ergebnis kommt eine jüngst veröffentlichte Studie aus Deutschland. Ihr zufolge sind Väter am zufriedensten, wenn sie 50 Stunden arbeiten. Also in der Rolle des Familienernährers vollends aufgehen. Weniger zufrieden sind sie, wenn sie wegen der Familie Teilzeit arbeiten. Und die Mütter?

Ihre Zufriedenheit scheint von der Anzahl der Arbeitsstunden unabhängig zu sein. Martin Schröder, Studienautor und Soziologe an der Universität Marburg, hat für diese repräsentative Umfrage die Daten des Sozio-oekonomischen Panels aus den Jahren 1984 bis 2015 genutzt. Insgesamt wurden 57.627 Personen wiederholt befragt, wie zufrieden sie mit ihrem Leben sind. In einem Interview mit der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" erklärt Schröder die Ergebnisse mit dem Wirken traditioneller Rollenbilder.

In Österreich sieht es nicht anders aus. "Auch hier ist das Leitbild des Familienvaters nach wie vor sehr stark an die Verantwortung als Familienernährer geknüpft", sagt Eva-Maria Schmidt, Soziologin am Institut für Familienforschung an der Universität Wien. Männer könnten sich dieser Rolle nur sehr schwer entziehen.

Grundsätzlich ja, aber ...

Das war auch bei Johannes Höffinger so. Für den zweifachen Vater und Regionalmanager in einem oberösterreichischen Unternehmen war es unvorstellbar, wegen der Kinder mehrere Monate lang den Job bleibenzulassen. Während er sich um das Familieneinkommen kümmerte, blieb seine Partnerin Ursula jeweils zwei Jahre lang zu Hause. "Grundsätzlich ist Väterkarenz eine gute Idee, um die Beziehung zu den Kindern zu intensivieren", sagt der heute 37-Jährige. Aber: "Es gibt in meinem Arbeitsumfeld keinerlei Erfahrung damit."

Die Hürden für die Väterkarenz sind vielfältig: Fehlende Unterstützung in den Betrieben und unzureichende Kinderbetreuung der unter Dreijährigen – vor allem auf dem Land und in kleineren Städten – spielen genauso eine Rolle wie starre Karrieremodelle.

"Väter, die nicht in Karenz gehen, werden in ihrer Rolle als Familienernährer nicht infrage gestellt – und stellen sich auch selbst nicht infrage", sagt Florian Holzinger. Er forscht am steirischen Institut Joanneum Research zu Väterkarenz und Männlichkeit. Auf Basis qualitativer Interviews hat er drei verschiedene Typen an Karenzvätern ausgemacht.

Da gibt es die rhetorischen Modernisierer. Sie gehen zwei Monate in Karenz, sind aber selten mit dem Kind allein, weil auch die Mütter zu Hause sind. Solche Väter erzählen gerne, wie wichtig ihnen die Kinder seien. In der Praxis aber arbeiten sie Vollzeit und mehr.

Der zweite Typus ist der involvierte Vater. Er bleibt im Durchschnitt sechs Monate beim Kind und möchte seiner Partnerin einen raschen Wiedereinstieg ins Berufsleben ermöglichen. Sein Engagement ist mehr als Rhetorik. Einen gesellschaftspolitischen Auftrag sieht er darin aber nicht.

Und schließlich gibt es die Väter, denen die Gleichstellung ein echtes Anliegen ist und die auch ihre Männlichkeit so definieren. Für sie kommt nur eine gleichberechtigte Elternschaft infrage, und sie versuchen ernsthaft, das Prinzip 50:50 anzuwenden.

Zwei Monate reichen nicht

Davon ist man hierzulande aber noch weit entfernt. "Vereinbarkeit wird in Österreich zu sehr privatisiert", sagt Manuela Vollmann. Sie ist Gründerin und Geschäftsführerin des ABZ* Austria, eines Non-Profit-Unternehmens, das sich auf Gleichstellung in der Wirtschaft spezialisiert hat. Für Vollmann muss sich vor allem in der Unternehmenskultur etwas ändern. Es fehle meist an Vorbildern. "Wenn Abteilungsleiter und Führungskräfte in Karenz gehen, dann ist viel erreicht", sagt sie. Aber es müsse länger als zwei Monate sein, denn kurze Karenzzeiten hätten eher Urlaubscharakter.

Das häufig benutzte Argument, wonach Männer mehr verdienen als Frauen und sich deshalb die Karenz nicht leisten können, lässt sie nicht gelten. Denn wer sich für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld entscheidet, erhält 80 Prozent der Letzteinkünfte. "In Österreich sind die gesetzlichen Voraussetzungen für Väterkarenz gut", sagt sie.

Was braucht es also noch, damit mehr Männer in Väterkarenz gehen? Es sei an der Politik, Anreize zu schaffen, sagt Joanneum-Experte Holzinger. Doch derzeit geschehe das Gegenteil. Die kürzlich beschlossene Ausweitung der Arbeitszeit erschwere die Planung von Vereinbarkeit. Holzinger: "Der Zwölfstundentag ist sicher das falsche Signal, wenn man etwas für mehr Gleichstellung und Lebensqualität tun will." (Christine Tragler, 28.7.2018)