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Der Milliardär Tom Steyer propagiert ein Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump und will die Wahl 2020 gewinnen.

Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/Drew Angere

Aus den Lautsprechern dröhnt "Beautiful Day" von U2, und während Bonos Stimme den Saal erfüllt, tritt ein Mann auf die Bühne, dessen Habitus so gar nichts von einem Wahlkämpfer hat: Tom Steyer ist ein Asket, 61 Jahre alt, gertenschlank, zurückhaltend, gewiss kein Volksredner. Ein Mann, der ein Berufsleben lang mit Zahlen zu tun hatte. Er war Banker bei Morgan Stanley und Goldman Sachs, ehe er sein eigenes Investmenthaus Farallon Capital Management gründete. In San Francisco hat er eine Villa mit Blick auf die Golden Gate Bridge, das Magazin Forbes schätzt sein Vermögen auf 1,6 Milliarden Dollar.

In der Omar Bakery, einer zur Kongresshalle umfunktionierten Bäckerei in Omaha, Nebraska, setzt sich Steyer auf einen Barhocker und kommt gleich zur Sache: die soziale Ungleichheit. "Seit 40 Jahren sind die Reallöhne für die Arbeiterschaft nicht mehr gestiegen. Was es an Zuwachs gab, floss in die Taschen der obersten fünf Prozent. Ausnahmslos alles!"

Es ist eine Lagebeschreibung, wie sie von Bernie Sanders stammen könnte, dem Senator, der Hillary Clinton 2016 einen harten Kampf um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten lieferte. Solches aus dem Mund eines schwerreichen Bankers zu hören, das passiert in den USA nicht so oft. Allein das erklärt schon, warum sich hunderte Zuschauer zwischen den unverputzten Ziegelwänden der Omar Bakery drängen, weit mehr, als es Sitzplätze gibt.

Unterstützer John Kerrys

Steyer ist kein gewöhnlicher Milliardär: Er ist ein Aktivist. Bis vor sechs Jahren war er Hedgefondsmanager, dann zog er sich aus dem laufenden Geschäft zurück, um sich ganz seinen politischen Anliegen widmen zu können. Der Demokratischen Partei steht er seit längerem als spendabler Mäzen zur Seite. Es begann 2004, da unterstützte er John Kerry und das Thema Klimawandel.

Später trommelte er zum Widerstand gegen die Pipeline Keystone XL. Um den Protest zu organisieren, gründete er eine Graswurzelbewegung namens Next Generation Climate, die mittlerweile Next Generation America heißt.

Die unter 35-Jährigen, sagt Steyer, bildeten nicht nur die progressivste, sondern auch die größte Wählergruppe der USA. Es sei aber auch die Gruppe mit der niedrigsten Wahlbeteiligung. Letzteres will er ändern. Und zwar radikal.

Impeachment als PR-Agenda

Bald redet er von Donald Trump. Seit der Milliardär aus New York im Weißen Haus residiert, ruft der Milliardär aus San Francisco dazu auf, ihn seines Amtes zu entheben. Steyer reist quer durchs Land, um dem "Impeachment" das Wort zu reden. Trump sei ein leichtsinniger, gefährlicher Präsident, wettert Steyer; einer, der glaube, über dem Gesetz zu stehen. Er sei eine Gefahr für die Republik. Dass es wohl nicht so bald etwas wird mit der Amtsenthebung, dürfte Steyer wissen. Seine Tournee mit dem Motto "Need to Impeach" ist wohl auch eher eine PR-Aktion.

Steyer könnte so etwas wie der Trump der Linken werden. Ein Geschäftsmann, der sich fürs Oval Office bewirbt, an der Spitze einer großen Partei, die sich noch immer nicht erholt hat vom Schock der Niederlage des Jahres 2016.

Noch ist bei den Demokraten nicht wirklich ein neuer Hoffnungsträger in Sicht – jedenfalls keiner vom Kaliber eines Barack Obama, der Trump 2020, beim Rennen um die Präsidentschaft, in die Defensive bringen könnte. Das kann sich zwar ändern, doch in Washington geben einstweilen noch die Alten den Ton an, symbolisiert durch die 78-jährige Nancy Pelosi, demokratische Nummer eins im Repräsentantenhaus. An den Küsten, in New York oder Kalifornien, rebelliert aber die Basis gegen allerlei Parteiprominente, die nach ihrem Geschmack nicht nur ausgelaugt sind, sondern auch zu weit in der Mitte stehen.

Weit links

Je länger der Richtungsstreit dauert, umso lauter wird der Ruf nach schillernden Personen, deren Wiedererkennungswert sich mit dem des einstigen Realityshowstars Trump messen kann.

Steyer, der wohl politischste Kopf unter den Quereinsteigern, steht ziemlich weit links. Sein Vater, damals ein blutjunger Jurist, war ein Klägeranwalt bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen. Als er voriges Jahr an der UN-Klimakonferenz in Bonn teilnahm und von dort nach Nürnberg reiste, so erzählt Steyer, habe er endgültig beschlossen, seine Kampagne gegen Trump zu starten. Man müsse moralisch Flagge zeigen, ehe es zu spät sei.

In Omaha spricht Steyer irgendwann vom Streben nach Glück. "In unserer Verfassung steht, dass jeder nach seinem Glück streben soll. Es muss aber doch damit beginnen, dass unsere Kinder in den Genuss einer guten, kostenlosen Bildung kommen!" Universitäten ohne Studiengebühren, Krankenversicherungen für alle, größere Mitspracherechte für Arbeitnehmer: Was Steyer stichpunktartig auflistet, klingt tatsächlich wie eine Kopie des Programms von Bernie Sanders aus Vermont.

Sinnieren über Trump

Ein Republikaner im Saal – kein Trump-Wähler, wie er extra betont – skizziert das Phänomen Trump. In prägnanten Sätzen erklärt er, warum sich Leute, die erst für Obama stimmten, sich später für den populistischen Bauunternehmer erwärmten: Unter Obama, dem klugen Redner, sei es für viele nicht aufwärts gegangen, "und was sie an Trump mochten, war seine Art, es dir direkt ins Gesicht zu schleudern. Dafür lieben sie ihn noch immer. Deshalb glauben sie, dass er etwas für sie tut, was immer das auch sein mag."

Auch Steyer nimmt Trump unter die Lupe. Viele Amerikaner, beobachtet er, seien zu dem Schluss gelangt, dass in der Hauptstadt allein das Geld regiere. Dass Großspender die Agenda bestimmten und "die Politiker nicht mehr für mich kämpfen". Trump habe das ausgenutzt. Auch wenn er Lügen auftische, hielten ihm seine Anhänger in einer Art Trotzreflex die Treue. Zur Hölle mit dem System, sei ihre Antwort auf alles. Aber Trump, so warnt Steyer, sei keine Eintagsfliege, dazu sitze der Frust einfach zu tief. "Ich sage euch etwas: Die arbeitenden Menschen in diesem Land haben die Arschkartegezogen!"

Den Frustrierten das Gefühl zu geben, dass man sie nicht im Stich lasse, sei keine Frage akribisch formulierter Programmpapiere, sondern eine Frage des Instinkts, der Emotionen, meint Steyer. Trump habe emotionale Bande zu den Enttäuschten geknüpft, während sich die Demokraten bis heute unendlich schwer damit täten.

Das müsse sich ändern, mahnt der Banker aus San Francisco. "Die Partei der Arbeiterschaft, das sind doch wir!" (Frank Herrmann aus Omaha, Nebraska, 20.7.2018)