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"Zu jedem Zeitpunkt gibt es allein auf Twitch ungefähr 3.000 Livestreams, die null Zuseher haben."

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Das Internet hat viel dazu beigetragen, die Welt zu einem kleineren Ort zu machen. Heute kann man zu jederzeit mit Menschen aus aller Herren Ländern in Kontakt treten und Informationen aus schier unendlich vielen Quellen abrufen. Die Möglichkeit, sich bei der Arbeit oder in seiner Freizeit zu filmen und so einen Teil seines Lebens live zu streamen, hat in den vergangenen Jahren mit dem Aufkommen einfach zu nutzender Plattformen wie Youtube oder Twitch eine regelrechte Goldgräberstimmung ausgelöst. Wer es schafft, ein Publikum von zehntausenden, hunderttausenden oder gar Millionen Sehern für sich zu gewinnen, auf den warten Ruhm und finanzieller Wohlstand.

Doch bis dahin ist es ein beschwerlicher und einsamer Weg, der in den allermeisten Fällen noch dazu nicht erfolgreich endet.

Stundenlang streamen für niemanden

Als Gegenpol zu den populärsten Streamern, die auf den Portalen extra hervorgehoben werden, bündelt die Seite Lonelystreams all jene Hobby-Broadcaster, die mit ihren Bemühungen wortwörtlich niemanden erreichen. "Zu jedem Zeitpunkt gibt es allein auf Twitch ungefähr 3.000 Livestreams, die null Zuseher haben", so die Betreiber.

Anstelle über das Internet oder real mit anderen Menschen in Verbindung zu treten, verbringen diese Streaming-Aspiranten nicht selten täglich Stunden damit, ein Publikum zu beschallen und zu unterhalten, das nicht existiert. Alleine in einem Zimmer starren sie auf den Monitor, zocken und sprechen in eine Webcam, die ihr Wissen und ihre Emotionen ins Nichts übertragen. Lebenszeit und Engagement, die sich nicht zurückgewinnen lassen, enden in einem digitalen Nirvana. In einem schwarzen Loch der Informationen, das in jeder Sekunde des Tages von den hoffnungsvollen Anstrengungen neuer Streamer genährt wird.

Bühne der unteren 10.000

"Es ist eine Schande, das niemand zusieht", heißt es auf Lonelystreams. "Die meisten Produzenten strengen sich ordentlich an, um alles herzurichten und sicherzustellen, dass ihre Streams ordentlich laufen."

Mit der gemeinsamen Präsentation soll die Chance gesteigert werden, dass diese Selbstunterhalter endlich Gehör finden. Das gleiche Ziel verfolgt die Plattform Pwning, die kleine Streamer ins Rampenlicht rückt, um ihrem Publikum möglicherweise schon heute die Sternchen von morgen präsentieren können.

Um 6:00 Uhr aufstehen, um zu streamen

Auf der Suche nach Leidensgenossen finden einsame Streamer auf der Plattform Reddit mittlerweile ein vergleichsweise recht großes Forum. So paradox dies klingt. In sehr persönlichen Erfahrungsberichten erzählen User davon, wie es ist, sich jedes Mal aufs Neue für ein oder zwei oder keinen Zuseher motivieren zu müssen. Man tauscht technische Tipps aus, gibt gut gemeinte Ratschläge und spendet einander Trost.

Streamer kissmekennyy erzählt beispielsweise von der Herausforderung, sein Streaming-Hobby überhaupt in den Alltag einbinden zu können. Zuerst versuchte er, nach der Arbeit am Abend ein bis zwei Stunden aufzubringen, was er jedoch bald wieder sein ließ, um seine Familie nicht zu vernachlässigen. "Ich habe mich dann dazu entschlossen, um 6:00 Uhr aufzustehen und zwei Stunden vor der Arbeit zu streamen. Das hat nicht funktioniert", schreibt kissmekennyy. "Ich habe meine gesamte Freizeit dafür verwendet. Ohne Erfolg."

"Follow for follow"-Zombies

Andere versuchen positiv zu bleiben und ihre Freude daran nicht von Zahlen abhängig zu machen. "Scheiß auf Zahlen", meint SupplemMeme. "Es geht nicht um Zahlen, es geht darum, eine gute Zeit zu haben. Ich habe seit Tag eins Spaß daran, selbst an den Tagen, an denen niemand zusieht. Ansonsten wäre es Zeitverschwendung. Ich hoffe, ich werde dies nie vergessen und als 'follow for follow'-Zombie in einem Twitch-Friedhof enden", so der Streamer und spricht dabei eine meist erfolglose Taktik von Nutzern an, in Chats und Foren anderer Streamer um Abos zu betteln.

Jeder zweifelt mal

AylinCrowheart berichtet, wie er eines Nachts nach zwei Stunden streamen panisch die Übertragung abbrechen musste, da er sich nicht länger motivieren konnte, Null Zuseher zu beschallen. Trost und Zuspruch habe er dann erst durch seinen Hilfeschrei auf Reddit gefunden, der 92 Kommentare auf sich ziehen konnte.

"Ihr habt keine Ahnung, wie dankbar ich bin. Nicht nur habt ihr mir geholfen, meine Motivation zurück zu erlangen, ihr habt mir auch geholfen, meine Selbstsicherheit wieder zu finden. Jeder zweifelt mal, also nur, weil ich im Moment an einem tiefen Punkt angelangt bin, heißt das nicht, dass ich meinen Kanal löschen und aufgeben muss. Danke!" (zw, 22.7.2018)