Wien/Boston – Mit Medikamenten, die auf mehrfacher Ebene den Zellwachstums-fördernden Effekt der männlichen Geschlechtshormone (Androgene) hemmen, dürfte in Zukunft eine bessere Behandlung von Prostatakarzinom-Patienten ohne Metastasen, aber hohem Risiko möglich werden. Im "New England Journal of Medicine" ist jetzt dazu eine vielversprechende Studie erschienen. Beteiligt waren auch österreichische Wissenschafter.

"Damit wurde wieder eine die Behandlung des Prostatakarzinoms verändernde klinische Studie publiziert. Auch sie wird weltweit zu einer neuen Medikamentenzulassung führen", sagte der Wiener Onkologe Michael Krainer von der Med-Uni Wien am AKH. An der Studie haben er und der Linzer Urologe Wolfgang Loidl vom Krankenhaus Barmherzige Schwestern mitgearbeitet.

Der Hintergrund: Auch Prostatakarzinome werden unheilbar, wenn Metastasen entstanden sind. Daher versucht die Medizin, das Fortschreiten der Erkrankung und die Bildung von Tochtergeschwülsten zu verhindern. Patienten mit Prostatakarzinomen sprechen zunächst oft sehr gut auf eine medikamentöse Unterdrückung der Produktion von Androgenen – vor allem Testosteron – an. Doch der Effekt hält zumeist nur eine gewisse Zeit an. Das Wiederauftauchen bzw. das Fortschreiten der Erkrankung kündigt sich vor allem durch eine schnelle Erhöhung der PSA-Werte (Prostata-spezifisches Antigen) im Blut an.

Metastasen verhindern

Neue Wirkstoffe wie Apalutamide, das in den USA bereits zugelassen ist, oder Enzalutamide hemmen zusätzlich noch den Signalweg der Androgene durch Bindung an den Androgenrezeptor auf Tumorzellen und blockieren die Signalkaskade von Androgenen an den Zellkern. Nach dem Einsatz solcher Wirkstoffe beim bereits metastasierten Prostatakarzinom geht es aktuell um eine frühere Verwendung zur Verhinderung der Entstehung von Tochtergeschwülsten bei Patienten mit einem Prostatakarzinom und schnell ansteigenden PSA-Werten im Blut (Verdopplung alle zehn Monate oder schneller). "Das nennen wir das Stadium des nicht-metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakrebs", erklärt Krainer.

Anfang des Jahres wurde dazu im "New England Journal of Medicine" die sogenannte SPARTAN-Studie mit rund 1.200 Patienten mit dem Wirkstoff Apalutamide publiziert, an der Krainer und Grazer Urologen mitgearbeitet hatten. "In dieser Studie wurde mit Apalutamide und einer Androgen-unterdrückenden Behandlung eine Verringerung des Risikos für Metastasen oder den Tod in einem Beobachtungszeitraum von 24 Monaten um 72 Prozent im Vergleich zu Placebo erzielt", schrieb Matthew Smith vom Massachusetts General Hospital in Boston und Erstautor der SPARTAN-Studie, in einem Kommentar.

Zweite Studie mit fast identen Ergebnissen

Der aktuelle Kommentar für das "New England Journal of Medicine" wurde von Smith anlässlich der Veröffentlichung der zur SPARTAN-Untersuchung fast identen PROSPER-Studie geschrieben. Maha Hussein (Chicago) und die Co-Autoren hatten ebenfalls Prostatakarzinom-Patienten mit dem Androgen-Signal-Inhibitor Enzalutamide zusätzlich behandelt. Insgesamt waren rund 1.400 Patienten beteiligt. Dabei wurde in einem Beobachtungszeitraum von 22 Monaten eine Verringerung der Metastasierungsrate um 71 Prozent im Vergleich zu der Placebogruppe registriert.

Im Median (die Hälfte der Patienten lag über diesem Wert, die andere Hälfte darunter) blieben die mit Enzalutamide (einmal täglich 160 Milligramm in Tablettenform) behandelten Patienten 36,6 Monate vor Metastasen geschützt, in der Vergleichsgruppe (Placebo) waren es 14,7 Monate. Statt bereits nach 17,7 Monaten auf Chemotherapie angewiesen zu sein, war das bei den mit dem neuen Medikament behandelten erst nach 39,6 Monaten der Fall. Zum Ende der Beobachtungszeit waren in der Placebogruppe 49 Prozent der Patienten gestorben, in der Verum-Gruppe (echtes Medikament) 23 Prozent.

Häufigste Krebserkrankung bei Männern

Die Studie könnte jedenfalls – zusammen mit der SPARTAN-Untersuchung – für viele Patienten mit Prostatakarzinom ohne festgestellte Metastasen, aber deutlichen Anzeichen eines Fortschreitens der Erkrankung, den Weg zu einer wirksameren medikamentösen Therapie eröffnen. Laut US-Statistiken betrifft das allein in den Vereinigten Staaten pro Jahr 50.000 bis 60.000 Männer. International wird an der Etablierung feinerer Methoden zur noch früheren Feststellung von möglichen Metastasen beim Prostatakarzinom gearbeitet.

Prostatakrebs ist in Österreich die häufigste Krebserkrankung bei Männern. Jährlich sterben rund 1.150 Personen daran. Jedes Jahr wird bei 5.000 Österreichern ein Prostatakarzinom diagnostiziert. Das entspricht rund einem Viertel aller Tumorneuerkrankungen bei Männern. In der EU wurde 2015 bei 365.000 Männern Prostatakrebs – weltweit die zweithäufigste Krebsart unter Männern – diagnostiziert. (APA, 16.7.2018)