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EU-Ratspräsident Donald Tusk, Chinas Premier Li Keqiang und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sehen sich als Ordnungshüter im internationalen Handelssystem.

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In China hergestellte Kinderschuhe mit chinesischer Landkarte und US-amerikanischen Flaggen.

Foto: AP Photo/Andy Wong

Peking – US-Präsident Donald Trump saß am Montag heimlich mit am Pekinger Verhandlungstisch, obwohl er am gleichen Tag in Helsinki war. Seine Drohungen mit einem Handelskrieg gegen China bewogen Premier Li Keqiang, um Brüssel zu werben. Er bot dem zum EU-China-Gipfel nach Peking angereisten Ratspräsidenten Donald Tusk und Kommissionschef Jean-Claude Juncker eine enge Zusammenarbeit bei der Reform der Welthandelsorganisation (WTO) an.

Zugleich versprach Li, sein Land tiefgreifend zu reformieren. Peking hoffe "unter den derzeitigen internationalen Umständen", gemeinsam mit der EU den "Multilateralismus und den Freihandel" zu bewahren und die Weltwirtschaft vor einer Stagnation zu schützen. "China und Europa sind zwei Kräfte zum Erhalt der Stabilität."

Peking buhlt um Europa, denn es spürt die herannahende Krise. Die Währung Renminbi fiel gegenüber dem US-Dollar, der Hauptaktienindex in Schanghai brach um mehr als 20 Prozent ein. Die neuen Halbjahreszahlen für den Außenhandel und für das sich mit 6,8 Prozent behauptende Wirtschaftswachstum sollen beweisen, dass China für einen Handelskrieg gerüstet ist. Seit dem zweiten Quartal 2018 jedoch geben diese Zahlen nach. Chefstatistiker Mao Shengyong warnte am Montag vor den "äußeren Unsicherheiten", die auf das Land zukommen.

Kein kämpferischer Schulterschluss

Das alles ließ Premier Li auf seiner Pressekonferenz in der Großen Halle des Volkes fast zurückhaltend erscheinen, wenn es um Kritik an Trump ging. Vom kämpferischen Schulterschluss mit der EU gegen den US-Präsidenten, zu dem chinesische Kommentatoren in den vergangenen Wochen aufgerufen hatten, war gar keine Rede mehr. Ausdrücklich sagte Li stattdessen: "Der China-EU-Gipfel richtet sich gegen keine dritte Partei und wird auch von keinem Drittland beeinflusst."

Das sah Ratspräsident Tusk anders. Für ihn sind Peking und Helsinki zwei Seiten einer Medaille: "Wir sind uns alle bewusst, dass sich die Weltarchitektur vor unseren Augen verändert." Es sei Pflicht für Europa und China ebenso wie für die USA und Russland, "nicht die vorhandene Wirtschaftsordnung zu zerstören, sondern sie zu verbessern". Sie sollten nicht Handelskriege beginnen, "die zu heißen Konflikten führen", sondern "die Regeln reformieren, auf denen die internationale Ordnung beruht".

Ende unfairer Wirtschaftsmethoden

Li widmete zwei Drittel seines Statements neuen Reformabsichten und dem Ende aller gegenüber Auslandsinvestoren unfairen Wirtschaftsmethoden. Seine Regierung "verbietet den Zwangstransfer von Technologie", den "Diebstahl von geistigem Eigentum". Zweimal forderte er dazu auf, solche Verstöße bei ihm anzuzeigen. Er werde dafür sorgen, dass die Beschuldigten streng bestraft werden. China werde seine Märkte für Auslandskapital immer weiter öffnen. Als Beispiele nannte er das deutsche Chemieunternehmen BASF, das in Eigenregie mit 100 Prozent Anteil einen neuen Verbundstandort in Südchina baut. Er nannte auch BMW, das sich die Mehrheit an seinem Auto-Joint-Venture im chinesischen Shenyang erkaufen dürfe. Li bestätigt erstmals, dass BMW plane, einen 75-Prozent-Anteil an dem Autowerk zu erwerben – mit Billigung Pekings.

Juncker lobte den Premier dafür. Nur wenn China seinen Markt wirklich öffne, werde es auch wieder Investitionen aus der EU anziehen können. 2017 fielen sie auf unter sechs Milliarden Euro, während Chinas Investoren Anlagen für 30 Milliarden Euro in Europa kauften. Die Beispiele von BASF und BMW zeigten, dass wenn China den Willen habe, sich zu öffnen, "es das auch tut".

Viel Überzeugungsarbeit

Peking machte viel Aufhebens, um die EU von seiner Reformbereitschaft zu überzeugen. Zum Auftakt des Gipfels erschien die englischsprachige "China Daily" mit der Titelnachricht: "Mehr Bereiche für Investoren offen". Sie kündigte an, dass Chinas sogenannte Negativliste für Investoren weiter reduziert werden soll. Die Liste regelt, welche Bereiche der Wirtschaft für das Engagement von Auslandsinvestoren gesperrt sind. Alle anderen Sektoren stehen ihnen dagegen offen. Anfang Juli wurden die bis dahin 63 verbotenen Bereiche auf 48 reduziert. Das seien immer noch zu viele, kritisierten daraufhin die Auslandskammern. Nun soll die Liste weiter gekürzt werden.

Als Zeichen für die neue Reformbereitschaft druckte auch das nationalistische Parteiblatt "Global Times" erstmals einen Gastbeitrag des Pekinger EU-Botschafters Hans Dietmar Schweisgut. Er beschreibt die Agenda des EU-Gipfels, von Marktreformen bis zu Menschenrechten.

Liste von Verfolgten

Vergangene Woche übergaben EU-Vertreter beim jährlichen EU-Menschenrechtsdialog mit Peking den Behörden eine Liste mit Namen von 30 Bürgerrechtlern, Anwälten und anderen Verfolgten mit der Bitte um Aufklärung. Darunter ist auch der von der Staatssicherheit verschleppte Hongkonger Buchhändler Gui Minhai. Die EU kümmert sich speziell um ihn, weil er mit schwedischer Staatsangehörigkeit ein EU-Bürger ist.

Chinas Bereitschaft zur Fortsetzung der Menschenrechtsgespräche und das Versprechen eines verbesserten Marktzugangs stehen in der am Montag verabschiedeten gemeinsamen Erklärung der EU und China. Zu ihr gehört auch eine weitgefächerte Liste, wo beide Partner zur Bekämpfung des Klimawandels und für saubere Energie und Umwelt zusammenarbeiten wollen.

Durchbruch für Beziehungen

Für die Beziehungen ist das ein kleiner Durchbruch. Denn 2016 und 2017 konnten sich die EU und China nach ihren Gipfeltreffen nicht einmal auf eine gemeinsame Erklärung einigen. China verlangte 15 Jahre nach seinem WTO-Beitritt anzuerkennen, dass es eine Marktwirtschaft ist. Absicht dabei war, Anti-Dumping-Verfahren der EU unterlaufen zu können. Streit gab es auch, weil Peking die EU-Forderungen zum Abbau seiner Überkapazitäten nicht anerkennen wollte, aber auch über die Vorwürfe der EU wegen Intransparenz und der fehlenden Umwelt- und Sozialstandards der Seidenstraßen-Initiativen.

Trotz in Brüssel verbreiteter Skepsis darüber, wie weitreichend Chinas Marktreformen wirklich sind, und über die Frage, wie schädlich Pekings Einfluss für den Zusammenhalt der EU durch seine 16+1-Sonderpolitik gegenüber Zentral- und Osteuropa ist, einigten sich beide Seiten auf die Erklärung. Peking hofft damit einen Schritt weiter zu einer bilateralen Investitionsschutzvereinbarung mit der EU zu kommen, die Voraussetzung für ein geplantes Freihandelsabkommen ist.

Für gemeinsame Arbeitsgruppe

Die EU will mit China – ihrem zweitgrößten Markt – gemeinsam die multilaterale Wirtschaftsordnung erhalten. Sie will mit Peking die WTO zur schlagkräftigen Organisation reformieren. Dafür setzten beide auch eine gemeinsame Arbeitsgruppe ein.

Der Teufel liegt im Detail. Denn die künftige Reform soll die WTO in die Lage versetzen, Probleme und Dispute rasch zu lösen und über Fragen der Industriesubventionen, der Exportfinanzierung und Zwangstransfers von Technologie zu entscheiden. Das sind Probleme, die Chinas unreformierte sozialistische Marktwirtschaft verursacht hat. Sie sind nur durch wirkliche Reformen zu lösen. (Johnny Erling aus Peking, 16.7.2018)