Der riesige Stern KELT-9 stiehlt dem heißesten je entdeckten Exoplaneten allmählich seine Atmosphäre.

Illustr.: MPIA

Der heißeste Exoplanet, der je entdeckt wurde, steht buchstäblich unter keinem guten Stern: Die Jupiter-ähnliche Welt KELT-9b umkreist einen 630 Lichtjahre entfernten außergewöhnlich hellen Stern in nur einem Bruchteil des Abstands zwischen Erde und Sonne. Damit verdient der Planet wahrlich das Prädikat "höllisch": Forscher schätzen die Temperaturen an der Oberfläche seiner Atmosphäre auf mindestens 8.000 Grad Celsius – dass das der Gashülle auf Dauer nicht guttut, liegt auf der Hand. Tatsächlich haben nun Astronomen erstmals beobachtet, wie sich diese allmählich verflüchtigt.

Der Zentralstern KELT-9 ist ein extrem heißer Stern mit einer Temperatur von bis zu 10.000 Kelvin. Im Vergleich dazu nehmen die 5800 Kelvin der Sonne geradezu bescheiden aus. Als sein planetarer Begleiter im Jahre 2017 erstmals erspäht wurde, maßen die Wissenschafter für seine dem Stern zugewandte Tagseite eine Temperatur von 4600 Kelvin (4300 Grad Celsius). Das ist nicht nur heißer als alle anderen Exoplaneten, sondern sogar heißer als zahlreiche Sterne.

Dreimal so massereich wie der Jupiter

Der Exoplanet selbst ist eine deutlich größere Version des Jupiters unseres Sonnensystems. Er ist fast dreimal so massereich wie der Jupiter, und sein Durchmesser ist annähernd doppelt so groß. Mit diesen Eigenschaften gehört KELT-9b zu den Planeten, die Astronomen als "heiße Jupiter" bezeichnen. Auf der Umlaufbahn von KELT-9b steht der Planet von der Erde aus gesehen regelmäßig direkt vor seinem Zentralstern. Bei jedem solchen Transit schattet der Planet einen Teil des Sternenlichts ab. Von der Erde aus erscheint der Stern dann jeweils ein wenig lichtschwächer als sonst.

Als Fei Yan und Thomas Henning vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg KELT-9b mit dem Carmenes-Spektrographen am 3,5-Meter-Teleskop des Calar Alto Observatoriums beobachteten, fanden sie Spuren der Atmosphäre des Planeten: Wann immer der Planet vor seinem Stern stand, gab es eine deutliche Absorptionslinie für Wasserstoff, also einen eng begrenzten Wellenlängenbereich, in dem die wasserstoffreiche Atmosphäre des Planeten einen Teil des hellen Lichts des Zentralsterns absorbiert.

100.000 Tonnen Wasserstoff pro Sekunde

Die Wasserstoffatmosphäre um KELT-9b besitzt demnach eine überraschend große Ausdehnung – ihre Dicke entspricht mehr als der Hälfte des Radius des Planeten. Modelle dafür, wie die Schwerkraft des Sterns auf das Gas des Planeten wirkt, zeigen, dass die Atmosphäre so ausgedehnt ist wie überhaupt nur möglich – Gas, das noch weiter entfernt vom Planeten ist, wird vom Planeten ab- und direkt auf den Stern gezogen. Die große Ausdehnung führt dazu, dass der Planet Wasserstoffgas mit einer beachtlichen Rate von mehr als 100.000 Tonnen Wasserstoff pro Sekunde verliert. Der Stern heizt die Atmosphäre dabei auf und zieht das aufsteigende Gas an.

Die Art und Weise, wie sich die Wellenlänge der Absorptionslinie während des Transits ändert, zeigt direkt die Bewegung des Planeten: Die Wellenlängenverschiebung ist auf den Dopplereffekt zurückzuführen und sagt uns daher, wie schnell sich der Planet auf uns zu oder von uns weg bewegt. "Bislang ist es nur für ein halbes Dutzend Exoplaneten gelungen, auf diese Art direkt die Bewegung des Planeten zu messen", sagt Fei Yan, Erstautor der im Fachjournal "Nature Astronomy " erschienene Studie. (red, 14.7.2018)