Kein Schlauchboot, sondern ein Dreimaster: Eine Schulklasse ist ein halbes Jahr auf dem Meer unterwegs – ohne W-LAN: Klassenzimmer unter Segeln heißt das Projekt.

Mitunter sind es die einfachen Fragen, die gestellt werden müssen. Dass Jugendliche heute an ihren Smartphones hängen, ist in jeder U-Bahn zu erkennen. Aber was passiert eigentlich, wenn sie sich von ihren Kommunikationstools trennen müssen?

Ob YouTube, Facebook, Instagram, WhatsApp oder Twitter – soziale Medien spielen im Alltag von Jugendlichen eine enorm große Rolle. Laut aktuellen Zahlen zur Mediennutzung besitzen 97 Prozent aller Jugendlichen in Deutschland ein Smartphone, und ebenso viel Prozent der Jugendlichen nutzen täglich das Internet – egal über welchen Zugang. Das wichtigste Motiv für die Nutzung ist mit 82 Prozent "Spaß", dicht gefolgt von "nützlich für den Alltag" mit 80 Prozent, "Denkanstöße bekommen" und "Information" mit jeweils 79 Prozent und "mitreden können" mit 78Prozent.

Wie es ohne ist? Dieser Frage gingen Bildungsforscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) in einer sehr besonderen Umgebung nach. "Klassenzimmer unter Segeln" heißt ein Projekt, das ausgewählte Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit gibt, mit dem Schiff "Thor Heyerdahl" unterwegs zu sein. Ganz ohne WLAN.

Besser schlafen können

Die 14- bis 15 Jährigen füllten in einem Fragebogen aus, wie es ihnen dabei geht, bzw. beantworteten auch mündlich Fragen. "Bisherige Studien untersuchten nur sehr kurze offline-Zeiten von ein paar Stunden oder einem Tag. In unserem Projekt dagegen hatten wir Offline-Zeiten von bis zu drei Wochen", sagte Studienleiter Thomas Eberle.

Es kristallisierten sich verschiedene Gruppen heraus. Einige Schülerinnen und Schüler berichteten, dass sie ruhiger schliefen und sich über mehr Lebensqualität freuten. "Sie sprachen sogar von einer großen Entlastung, weil sie nicht ständig online sein müssen."

Andere Jugendliche fieberten den seltenen Landgängen entgegen, um sich an Land ins WLAN einzuloggen und über soziale Medien zu kommunizieren. Bei ihnen spielte einerseits die "fear of missing out" (fomo) – also die Angst etwas zu verpassen – eine große Rolle. Andererseits übten auch die Erwartungen von Eltern, Geschwistern und Freunden zu Hause einen Druck auf die befragten Schülerinnen und Schüler aus. "Sie hatten das Gefühl, dass sie sich immer so bald wie möglich melden müssen", erläutert der Wissenschaftler.

Das Projekt geht weiter

Und die dritte und letzte Gruppe war schon vor dem Törn sehr wenig im Internet aktiv und blieb erwartungsgemäß auch weiterhin skeptisch-kritisch gegenüber sozialen Medien. Auch andere Jugendliche, die vor dem Törn eine positive Einstellung zu Sozialen Medien hatten, wurden während des Törns zunehmend kritisch.

"Innerhalb von nur drei Wochen nach Medienisolation nahmen die negativen Einstellungen gegenüber Sozialen Medien bei den Schülerinnen und Schülern signifikant zu", fasst Eberle zusammen. "Die positiven Einstellungen nahmen dagegen deutlich ab." Wie diese Einstellungsänderungen das Verhalten der Jugendlichen und deren Nutzung der Sozialen Medien langfristig beeinflussen werden, wird sich im Laufe der nächsten Untersuchungen zeigen, die bis zu einem halben Jahr nach Ende der Reise stattfinden werden. (red, 11.7.2018)