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Ein Flüchtender demonstriert am World Refugee Day für Offenheit – das offizielle Österreich verkürzt indes die Einbürgerungsfrist.

Foto: Reuters

Am Donnerstag wurde im Nationalrat mit dem Beschluss des Fremdenrechtsänderungsgesetzes auch das Staatsbürgerschaftsgesetz geändert. Anerkannte Flüchtlinge hatten bisher die Möglichkeit, die Aufenthaltsfrist für eine Einbürgerung von den regulären zehn auf sechs Jahre zu verkürzen. Diese Möglichkeit wurde nun gestrichen.

Eine Gesetzesänderung mit einer langen Geschichte und es lohnt sich, hier ein paar Jahre zurückzublicken. Zum Beispiel auf das Jahr 2005: Die ÖVP führt eine Koalition mit dem BZÖ, das sich vor kurzem von der FPÖ abgespalten hat, im Nationalrat liegt eine Novelle des Staatsbürgerschaftsgesetzes auf. Die freiheitlichen Abgeordneten sind gespalten, ihnen gehen die Verschärfungen des Gesetzes zu wenig weit. Unter anderem die verkürzte Einbürgerungsfrist für Asylberechtigte stört sie. Sie liegt damals bei vier Jahren, sie wird auf sechs Jahre erhöht, aber die Freiheitlichen hätten sie gerne gänzlich gestrichen.

In der parlamentarischen Debatte ergreift Helene Partik-Pablé das Wort. Die Abgeordnete, beheimatet weit außen am freiheitlichen rechten Flügel, erklärt, warum eine Streichung dennoch nicht in Frage kommt. Man habe alle Möglichkeiten ausgenützt, um das Staatsbürgerschaftsgesetz zu verschärfen. Aber natürlich werde man nicht gegen die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) verstoßen. "Deshalb müssen wir aber auch – ich tue das auch nicht gerne – bevorzugende Regelungen für Asylwerber hinnehmen.", so Partik-Pablé wörtlich, "Wir haben keine Möglichkeit gesehen, das zu ändern".

Diese Position vertrat zu diesem Zeitpunkt auch die ÖVP-Innenministerin Liese Prokop und das von ihr geführte Ministerium. In der Regierungsvorlage zur Gesetzesänderung aus dem Ministerium werden neben Artikel 34 der GFK auch Artikel 6 Abs 4 des Europäischen Übereinkommens über Staatsangehörigkeit angeführt. Um diesen Bestimmungen Genüge zu tun sei eine verkürzte Einbürgerungsfrist für Flüchtlinge notwendig, so die Vorlage.

Zehn Jahre später, am Höhepunkt der Fluchtbewegung Schutzsuchender nach Europa, sah dies Reinhold Lopatka, damals ÖVP-Klubobmann, anders. In einem medialen Vorstoß verlangte er die Verlängerung der Wartefrist für Flüchtlinge auf zehn Jahre. Die Forderung begründete er damit, dass eine "relativ leichte Einbürgerung für Flüchtlinge" das "falsche Signal" sei.

Doppelpass mit "Krone"

Im Doppelpass mit der "Kronen Zeitung" wurden die "Blitzverfahren" kritisiert, die zu einem "schnellen Wahlrecht" für Flüchtlinge führen würden. Suggeriert wurde außerdem, dass Flüchtlinge die einzigen wären, die von einer auf sechs Jahre verkürzten Einbürgerungsfrist profitieren würden, und dass sie die übrigen Einbürgerungskriterien wie Einkommen, Unbescholtenheit und Deutschkenntnisse nicht erfüllen müssten. Beides ist falsch. Ganz unterschiedliche Gruppen, so beispielsweise auch EU-Bürger, können um die österreichische Staatsbürgerschaft bereits nach sechs Jahren ansuchen. Für alle gilt, dass sie dabei die hohen allgemeinen Einbürgerungserfordernisse zur Gänze erfüllen müssen.

Zu einer Gesetzesänderung kam es trotz des ÖVP-Vorstoßes vorerst nicht. Erst im gemeinsamen Regierungsprogramm mit der FPÖ wurde der Faden wieder aufgenommen und mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz auf den Weg gebracht. Im Gesetzesentwurf widerspricht das Innenministerium des Jahres 2018 dem Innenministerium von 2005: eine völkerrechtliche Verpflichtung für eine Fristverkürzung mag man nun nicht mehr erkennen, wie explizit ausgeführt wird.

Das verwundert nicht nur UNHCR, zahlreiche NGOs und den Österreichischen Rechtsanwaltskammertag, die im Begutachtungsverfahren alle auf eine solche bestehende Verpflichtung hinweisen. Auch das Völkerrechtsbüro des Außenministeriums sieht ein Problem der neuen Regelung mit der GFK und schlägt statt einer sechsjährigen zumindest eine um zwei Jahre verkürzte, achtjährige Einbürgerungsfrist für Flüchtlinge vor, "um den völkerrechtlichen Verpflichtungen Rechnung zu tragen".

Von diesen Einwänden ließ sich die Koalition nicht beirren. Die beschlossene Gesetzesänderung bedeutet nicht nur erneut eine rechtliche Verschlechterung für Flüchtlinge. Sie zeigt außerdem deutlich die Verschiebungen im politischen Spektrum Österreichs auf und wie weit sich die Regierungsparteien von einstigen Positionen entfernt haben. Was für das das freiheitliche Rechtsaußen Partik-Pablé 2005 noch eine bedauerliche Notwendigkeit und für die VP-Innenministerin Prokop eine völkerrechtliche Verpflichtung war, kümmert Kurz und Kickl heute nicht mehr. Was vor 13 Jahren als rechtliches No-Go galt, wurde diese Woche, ohne mit der Wimper zu zucken, beschlossen. (Gerd Valchars, 9.7.2018)