Theresa May muss sich dieser Tage sehr stark fühlen. Am Wochenende hat die britische Premierministerin nicht nur ihr Kabinett auf eine Kehrtwende in der Brexit-Politik eingeschworen. Sie hat auch deutlich gemacht: Wer den Kurswechsel vom harten zum weichen Brexit, also die möglichst enge Kooperation mit der EU in der Zukunft, nicht gutheißt, der muss zukünftig schweigen oder das Regierungskabinett verlassen.

Eigentlich ist die kollektive Verantwortung für Entscheidungen der Normalfall einer Regierung. Doch Mays Vorgänger David Cameron hatte sie im Vorfeld des Referendums aufgehoben. Es war einer der schwersten Fehler des zu Recht schnell in Vergessenheit geratenen Politikers. Anstatt den harten EU-Feinden die Tür zu weisen, ließ sich Cameron von ihnen beleidigen – unter anderem mit der Formulierung, sein mit Brüssel ausgehandeltes Reformpaket komme einem "Scheißhaufen" gleich.

Dass Außenminister Boris Johnson jetzt in Bezug auf Mays neues Kompromisspapier die gleiche Formulierung verwendet, lässt nicht nur erkennen, wes Geistes Kind der Brexit-Vorreiter ist. Er verdeutlicht auch die komplette Ideenlosigkeit jener, die mit losen Sprüchen und faktischen Lügen das britische Volk zu dem schädlichen Votum verführten. May macht das Beste aus einer schwierigen Situation. Außer Kabinettsdisziplin zu Hause braucht sie nun auch eine konstruktive Haltung der 27 EU-Partner. (Sebastian Borger, 9.7.2018)