Reha in den Wäldern von West Virginia: die Drogenabhängigen Adam, Jeff und Rusk (v. li.) in "Recovery Boys".

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"Eine Woche geschafft. Nur noch fünf Monate und drei Wochen übrig", sagt Ryan sichtlich stolz nach den ersten Tagen im Entzug, "und dann ein ganzes Leben." Zwischen Schafe hüten und Heuarbeit über Probleme reden: In der Reha-Klinik Jacob's Ladder in Aurora, West Virginia, versucht er gemeinsam mit Adam, Jeff und Rusk, bei landwirtschaftlicher und therapeutischer Arbeit der Drogenabhängigkeit zu entfliehen und dieses finstere Kapitel endgültig hinter sich zu bringen.

Ihren mühsamen Weg aus der Sucht zeigt Recovery Boys. Die neue Netflix-Doku beleuchtet ein immer größer werdendes Problem: die Opioidkrise in den USA. Täglich sterben 91 Amerikaner an einer Überdosis Opioide, rund 33.000 Tote im Jahr – mehr als durch Schusswaffen oder im Straßenverkehr. Und nur etwa zehn Prozent der Süchtigen bekommen Hilfe.

Wie bereits in ihrem oscarnominierten Kurzfilm Heroin(en) skizziert die Regisseurin Elaine McMillion Sheldon die Opioidepidemie, ohne zu dramatisieren. Dieses Mal aus der Sicht von vier jungen Männern, die sie 18 Monate lang bei ihrem Entzugsprozess mit der Kamera begleitet.

Dabei steht Sheldon immer leicht abseits und gerade deshalb mittendrin. Sie enthüllt Momente rauer Offenbarung, die leise den beschämenden Mangel an effektiver Hilfe für Drogensüchtige hervorheben. Und obwohl sie sich nur auf weiße Männer der Arbeiterklasse konzentriert und so dem Umfang sowie den Ursachen des Ganzen kaum gerecht wird, bietet sie eine intime Studie über Fortschritt und Schmerz. Humanisiert aktuelle soziale Probleme, ohne zu entfremden. Recovery Boys ist eine ergreifende, dennoch warnende Geschichte und eine schmerzliche Erinnerung daran, dass Entzug und der Weg in die Nüchternheit eine Reise sind, die für viele niemals endet. (Hannah Weger, 9.7.2018)

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