Die Experten der EU-Kommission schreiben sich alljährlich die Finger wund. Für jedes Mitgliedsland erarbeiten sie Empfehlungen, die aus Brüsseler Sicht sinnvoll wären, um die Haushaltsdisziplin einzuhalten und langfristig Wachstum zu sichern. Die Begeisterung darüber hält sich aber häufig in engen Grenzen, besonders in Österreich.

Wie aus einer aktuellen Analyse des Budgetdienstes des Nationalrates hervorgeht, wurden zwischen 2011 und 2017 nur zwei Prozent der Empfehlungen von der heimischen Politik vollständig umgesetzt. Dazu gab es bei zwölf Prozent "substanzielle Fortschritte", bei 36 Prozent immerhin "einige Fortschritte". Bei der Hälfte aller Vorschläge der Kommission gibt es aber "keine" oder nur "begrenzte Fortschritte".

Frauen später in Pension

Die anderen Staaten sind da wesentlich offener für externe Ideen. Im Schnitt aller EU-Länder werden 70 Prozent ganz oder teilweise umgesetzt (siehe Grafik), nur in fünf Prozent der Fälle gibt es gar keine Fortschritte.

Die konkreten Verbesserungsvorschläge für Österreich wiederholen sich zum Teil seit Jahren. Beim Pensionssystem heißt es etwa aktuell, dass zwar die Frühpensionsregelungen verschärft worden seien, da aber mit dem längeren Erwerbsleben auch wieder zusätzliche Pensionsansprüche verbunden sind, wird sich nach Brüsseler Einschätzung "die langfristige Tragfähigkeit des Systems nicht verbessern".

Raschere Angleichung

Zum wiederholten Male wurde daher eine raschere Angleichung des Pensionsantrittsalters von Frauen (derzeit 60 Jahre) an jenes der Männer (65 Jahre) gefordert. Zur Erklärung: Nach derzeitiger Gesetzeslage wird das Frauenpensionsalter erst ab 2024 schrittweise angehoben.

Im Gesundheitswesen werden zwar Anstrengungen zur Steigerung der Effizienz und zur Eindämmung der Kostenentwicklung positiv erwähnt, "das Problem der allgemeinen Überschneidung von Zuständigkeiten im Gesundheitswesen bleibt jedoch bestehen", heißt es aber in dem Papier des Budgetdienstes.

Zu wenig Betreuungsplätze

Verbesserungspotenzial sieht man auch bei der Arbeitsmarktintegration von Frauen. Zwar gab es über die Jahre einen deutlichen Anstieg der Frauenbeschäftigung, dieser geht aber überwiegend auf den Teilzeitbereich zurück. Verwiesen wird darauf, dass 37,5 Prozent der teilzeitbeschäftigten Frauen angaben, wegen Betreuungspflichten keine Vollzeittätigkeit auszuüben.

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kann sich mit den Vorschlägen seiner Experten in Österreich bei weitem nicht immer durchsetzen.
Foto: apa

Beim Ausbau der Kinderbetreuungsplätze für unter Dreijährige gab es zwar einige Fortschritte in den letzten zehn Jahren, mit nur 25,4 Prozent lag die Betreuungsquote dieser Gruppe im Jahr 2016 aber noch weit unter dem sogenannten Barcelona-Ziel von 33 Prozent. Neben der generell niedrigen Betreuungsquote machen der Kommission zudem die großen regionalen Unterschiede vor allem zwischen städtischen und ländlichen Regionen Sorgen.

Mit dem letzten Finanzausgleich wurden zwar erste Schritte in Richtung Steuerautonomie der Länder gesetzt (der Wohnbauförderungsbeitrag wurde verländert), generell ortet Brüssel allerdings noch immer ein "beträchtliches Missverhältnis zwischen Ausgabenbefugnissen und der Verantwortung für die Steuereinhebung".

Wachstumshemmnisse

Als Hindernis für stärkeres Wachstum werden die in Österreich vergleichsweise hohen "regulatorischen Hindernisse", unter anderem die hohe Zahl an reglementierten Gewerbe, genannt.

Viele dieser Punkte fanden sich, wie erwähnt, nicht zum ersten Mal im Länderbericht für Österreich. Eine wirkliche Handhabe hat die Kommission allerdings nicht. Die Empfehlungen sich nicht verbindlich für die Mitgliedsstaaten. (Günther Oswald, 9.7.2018)