Die deutsche Ärztin und Autorin Corinna Sievers stellte eine Erotomanin in den Mittelpunkt ihres Textes.

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Klagenfurt – Von Klagenfurt erhofft man sich nicht unbedingt den nächsten großen Autor. Eher literarische Fehlschläge. Und man fragt sich, was manche Juroren geritten hat, ausgerechnet einen bestimmten Beitrag einzuladen. Nehmen wir Nora Gomringer.

Wie spricht man sachlich über einen Porno? Mit dieser Frage beschäftigt sich die von Gomringer eingeladene Corinna Sievers. Deren Heldin ist wie die Autorin Kieferorthopädin. Dazu auch noch Erotomanin. Sie verführt Patienten. Das erzählt Sievers mit viel derber Sprache. Zu sehr provokante Pose, zu sehr werde männliche Fantasie bedient, lautete die Kritik. Das Genre Arztroman ist mit diesem Text jedenfalls nicht im Feminismus angekommen. Spannend, ob auch Sievers’ Patienten zwischen Fiktion und Autobiografie unterscheiden können.

Autorin Ally Klein erzeugte dagegen mit exzessiver Beschreibung Langeweile. "Ich öffnete die Augen, ich glaubte, meine Augen geöffnet zu haben ..." – eine gefühlte Seite Handlung blies sie in dieser Manier auf sieben Seiten Text auf. Hinein mischten sich ungelenke Bilder. Die Jury war trotzdem angetan. Zumindest die eine Hälfte davon.

Auf Anhieb gute Texte sind in Klagenfurt eine schöne Abwechslung. Die seit 2011 in Wien lebende Ukrainerin Tanja Maljartschuk erzählte von einer dementen Frau und einem illegalen Einwanderer, der sich um sie kümmert. Eine rührende Geschichte, die mehrere aktuelle Themen (Migration, Integration, Pflege) miteinander verstrickt. Dafür gab es einhelliges Lob. Als Gewinner wäre diese Geschichte aber stilistisch ein biederes Signal. Einen Preis wird sie aber wohl bekommen.

So wie jene von Bov Bjerg: Ein Vater und sein Sohn sind in der Provinz unterwegs. Den Vater belastet die Familiengeschichte. In der Geschichte schwingt etwas Unheimliches mit, aber auch Zärtlichkeit. Das funktionierte gut, die Jury war begeistert. Und zum Abschluss Anselm Neft. Er stieß mit seinem Schicksal eines Obdachlosen auf Widerstände. Juror Hubert Winkels etwa fühlte sich zu Mitleid erpresst. Das ist in der Tat kein Argument für einen Text. (Michael Wurmitzer, 6.7.2018)