Laufen, kämpfen, schießen, treffen fürs Halbfinale: Englands Harry Kane von Tottenham, Schwedens Emil Forsberg aus Leipzig (re).

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Schweden trainiert.

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WM-Viertelfinale live: Schweden vs. England, Sa. 16 Uhr

Samara – Berti Vogts, der das deutsche Team immerhin acht Jahre lang gecoacht hat in den 1990ern, ist etwas sehr Merkwürdiges aufgefallen: "Es klingt fast verrückt, aber ich muss sagen: Diese englische Mannschaft spielt deutscher als das deutsche Team." Nicht das aktuelle meinte Vogts, sondern jenes alte, das dem Joachim Löw unversehens abhanden gekommen ist.

Und tatsächlich präsentierte sich das in der Vergangenheit oft lustlos, zerstritten, von Allüren gequält agierende Drei-Löwen-Team diesmal geschlossen, hierarchisch, also auch mannschaftsdienlich flach und entspannt wie Gareth Southgate in seiner Coachingzone.

Dieser Gareth Southgate – den sie nun seines Gilets wegen schon als Stilikone anfangen zweitzuverwerten – hat zweifellos den englischen Fußball umgestülpt. Er hat, und darin gleicht er dem Team des Jürgen Klinsmann, aus dem Joachim Löw gewachsen ist, die Perspektive weit gemacht.

Elfmetertrauma therapiert

Nicht nur das peinigende Elfmetertrauma hat er mit psychologischer Hilfe erfolgreich therapiert. Inspiration fürs Stellungsspiel und die Blockarbeit bei Standards holte er sich etwa auch aus der NBA und der NFL, bei den Besten im Basketball also und beim American Football.

Solch geistige Offenheit erstritt er auch beim Verband. So gewichtete er den Fokus auf die Pflege des Nachwuchses, man richtete ein nationales Trainingszentrum ein. 2016 erst ist er – als Notnagel für den eiligst verabschiedeten Sam Allardyce – als Teammanager geholt worden. Den Einzug ins Viertelfinale wird der Verband nun wohl mit einer Verlängerung des Vertrags erwidern.

Immerhin betonte Southgate stets, dass Russland 2018 erst der Anfang sei für diese im Schnitt erst 25,5 Jahre alte Mannschaft. Auch das erinnert an Deutschland 2006. Das Team kam bis ins Halbfinale. Das war aber erst der Beginn einer schönen Wanderschaft, die 2018 halt abrupt und ernüchternd zu Ende gegangen ist. "Wir haben", sagt Southgate, "so viel von den Deutschen gelernt. Sie hatten großen Einfluss auf das, was wir jetzt tun." Aber: "Im Sport und im Leben muss man sich ständig weiterentwickeln."

Zumal man die Anregungen dafür tagtäglich vor Augen hatte. Lange Zeit schien es ja, als wolle man im englischen Team die kontinentalen Innovationen in der Premier League absichtlich ignorieren. Angefangen mit Arsenal-Coach Arsène Wenger über José Mourinho, Pep Guardiola, Jürgen Klopp: Den jüngeren Spielern, wie dem 24-jährigen Harry Kane von Tottenham, fiel es gewiss nicht schwer, ihr Spiel im Team kontinentaler anzulegen. Ein schönes Beispiel dafür, wie in der ballesterischen Darbietung die politische konterkariert werden kann: Während das Land sich unter Schmerzen in den Brexit windet, lebt der Fußball Europa.

Schwedisch kompakt

Offen für insulanische Einflüsse waren die Schweden immer. Körperliche Präsenz, Schnörkellosigkeit, mannschaftliche Geschlossenheit sind auch heute noch die Merkmale der Skandinavier. Southgate verspricht jedenfalls: "Schweden ist oft unterschätzt worden. Wir machen den Fehler nicht."

Rasche Tiefenläufe – nicht selten schon eingeleitet von Goalie Jordan Pickford – wollen die Schweden in bewährter Manier bekämpfen, sagt Abwehrchef Andreas Granqvist, der in der Nacht auf Freitag Vater wurde. "Wir stehen kompakt, verteidigen gemeinsam." Angefangen vom Leipziger Zangler Emil Forsberg, der nicht, wie einst Ibrahimovic, ein bloßes Sturmanhängsel des Teams ist. (sid, wei, 6.7.2018)

Technische Daten und mögliche Aufstellungen zum Viertelfinale der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland am Samstag:

Schweden – England (Samara, Samara-Arena, 16.00 Uhr/live ORF eins, SR Kuipers/NED)

Schweden: 1 Olsen – 16 Krafth, 3 Lindelöf, 4 Granqvist, 6 Augustinsson – 17 Claesson, 7 Larsson, 8 Ekdal, 10 Forsberg – 20 Toivonen, 9 Berg

Ersatz: 12 Johnsson, 23 Nordfeldt – 5 Olsson, 14 Helander, 18 Jansson, 13 Svensson, 15 Hiljemark, 19 Rohden, 21 Durmaz, 11 Guidetti, 22 Thelin

Es fehlt: 2 Lustig (gesperrt)

Teamchef: Janne Andersson

England: 1 Pickford – 2 Walker, 5 Stones, 6 Maguire – 12 Trippier, 20 Alli, 8 Henderson, 7 Lingard, 18 Young – 10 Sterling, 9 Kane

Ersatz: 13 Butland, 23 Pope – 3 Rose, 15 Cahill, 16 Jones, 17 Delph, 22 Alexander-Arnold, 4 Dier, 21 Loftus-Cheek, 14 Welbeck, 19 Rashford

Fraglich: 11 Vardy (Leistenbeschwerden)

Teamchef: Gareth Southgate

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