Kolumnisten haben viele Freiheiten, und ich nehme mir heute die Freiheit, diese Kolumne zu einem Totengedenken zu nützen. Am 15. Juni ist mein Freund Ekkehard Muther gestorben. Er war zuletzt Klubdirektor der Grünen im Vorarlberger Landtag.

Kondolenzschreiben kamen von Alexander Van der Bellen, mit dem er befreundet war, und von Landeshauptmann Markus Wallner. Der Bregenzer Bürgermeister Markus Linhard und der grüne Landesrat Johannes Rauch verabschiedeten ihn mit beeindruckenden Reden. Die Präsenz aberhunderter Menschen im Bregenzer Theater Kosmos war ein weiteres äußeres Zeichen, wie wichtig er für Vorarlberg und über dessen Grenzen hinaus gewesen war.

Wir waren seit unserer Kindheit befreundet. Wir gingen gemeinsam ins Gymnasium, flogen gemeinsam aus dem Gymnasium, studierten gemeinsam, verbrachten gemeinsam ein Jahr in Frankreich (er in Toulouse, ich in Bordeaux), unterrichteten dieselben Fächer, ehe er in Vorarlberg in die Politik ging und ich in Wien in den Journalismus. Er kam aus einem humanistischen Haushalt. Seine Mutter war Mathematikprofessorin, sein Vater, Direktor des Mädchengymnasiums, war Altphilologe und überzeugter Antifaschist.

An dieser Haltung hat er sich zeitlebens orientiert, als Kämpfer für eine gute Politik und soziale Gerechtigkeit. Er war liebevoll, stetig, eigenwillig, bar jeder Kleinlichkeit. Er war ein guter Musiker und ein Sprachliebhaber sondergleichen. Freud, Kafka, Joyce, Jarry, Brassens liebte er. Die Gasthaustreffen mit ihm und seiner Frau Ingrid waren immer auch Sprachfeste, nicht selten mit opulenten Abstechern ins linguistische Absurdistan. Vor Jahren schenkte ich ihm den Roman Die Insel des Zweiten Gesichts von Albert Vigoleis Thelen. Darin fand er das Verbum "niederwörteln", mit dem Vigoleis Thelen das beschreibt, was ein Schwätzer mit seinem Gegenüber macht. Der Neologismus bezauberte ihn umgehend. Er konnte ein Wort ins Herz schließen wie einen Menschen.

Seine letzten Monate waren mühsam, aber er war begleitet von seiner Familie, seiner Frau, seinen Kindern, seinen Brüdern, seinen Freunden. Was würden wir darum geben, wenn wir ihn ins Leben zurückwörteln könnten. Sit tibi terra levis, Ekkehard. Ich kann mir vorstellen, dass einem Humanisten wie dir dieser Abschiedsgruß gefallen hätte. (Christoph Winder, 6.7.2018)