Der Kabarettist und Buchautor Werner Schneyder wohnt in einem Wiener Altbau nach ziemlich strengen Ordnungsprinzipien. Dass nicht noch mehr Bilder an der Wand hängen, liegt daran, dass er nicht ins Gefängnis will.

"Man kann im Chaos Dinge finden, die man ohne Chaos nicht finden würde, doch die große Gefahr am Chaos ist, dass man sich verirrt und verliert. Hinzu kommt, dass ich Chaos ab einem gewissen Punkt unästhetisch finde. So wie Trash. Hat zwar auch seine Reize, aber nicht für mich. Und daher brauche ich einen Fluchtweg, und dieser Fluchtweg ist die Ordnung. Mein Ordnungsprinzip unterliegt im Großen und Ganzen ästhetischen und funktionalen Kriterien. Diese Kriterien haben etwas mit Respekt vor der Sache zu tun.

"Eine Wohnung ist gewissermaßen ein Bühnenbild der eigenen Existenz." Werner Schneyder in seinem Jahrhundertwende-Bühnenbild in Wien-Landstraße.
Foto: Florian Albert

Nehmen wir die Kunst: Ich bemühe mich, die Bilder so aufzuhängen, dass ich davon ausgehen kann, der Maler beziehungsweise Künstler hätte damit die maximale Freude. Im Studentenheim hat mir ein befreundeter Architekturstudent geraten, um Ordnung ins Chaos zu bringen, die Kunstwerke an der Ober- oder Unterkante zu orientieren. Ich habe die Oberkante gewählt, weil sie mir sympathischer ist. Diese Form des Bilderaufhängens kultiviere ich seit meinem 19. Lebensjahr.

Natürlich ist die Anzahl der aufzuhängenden Bilder durch diese formale Strenge beschränkt. Aber ich habe zum Glück noch eine zweite Wohnung am Millstätter See. Ebenfalls zum Glück habe ich einen Sohn, der regelmäßig herkommt und sagt: "Papa, du hast schon so viele Bilder vom Wasser, die brauchst du alle nicht!" Sie müssen wissen: Ich bin ein Triebtäter. Dass ich manche Bilder nicht habe, liegt einzig daran, dass man, wenn man die Bilder von der Wand reißt, viele Jahre ins Gefängnis geht. So würde es mir etwa bei Edvard Munch gehen.

Fotos: Florian Albert

Zur Wohnung kann ich so viel sagen: Sie hat drei große Zimmer, weist also eine gesunde Balance mit meiner Person und meinem Wohnbedürfnis auf, und liegt in einem wunderschönen Altbau mit Erkern im dritten Bezirk. Wichtig ist, dass die Wohnung doppelflügelige Türen und eine gewisse Raumhöhe hat, denn ich bin – wie man so schön sagt – ein bissl lang. Als ich sie fand, wurde sie gerade renoviert. Eine sehr schöne, glückliche Fügung. Weniger glücklich war die Fügung mit den Einbrechern, die mich auf dem Radar hatten und drei Tage nach dem Einzug ausgeraubt haben. Ein grauenvolles Gefühl. Man fühlt sich vergewaltigt und braucht Wochen, um so etwas zu verarbeiten.

Eine Wohnung ist gewissermaßen ein Bühnenbild der eigenen Existenz. Praktischerweise hat es sich ergeben, dass meine Literaturvorliebe für meine Hausgötter Alfred Polgar und Arthur Schnitzler mit meinem Einrichtungsgeschmack korrespondiert. So umgebe ich mich am liebsten mit Jahrhundertwende-Möbeln.

Fotos: Florian Albert

Einer meiner Lieblingsorte ist mein Ein-Personen-Kaffeehaus in der Küche – so richtig mit Marmortisch und Thonet-Stuhl. Ich mache mir einen Espresso, streiche mir ein Butterbrot und setze mich an den Tisch. Das wichtigste Kriterium für ein Mehr-Personen-Kaffeehaus übrigens ist, dass es keinen Engpass bei den Zeitungen gibt. Es gibt einen Satz, den ich nicht gerne höre, der lautet: "Ist grad in der Hand." Wenn ich ihn zu oft höre, wechsle ich das Café.

Die Wohnung ist meine Rückzugshöhle, wie eine Eizelle. Sobald ich durch die Wohnungstüre gehe, ist ein extremes Gefühl von Geborgenheit da. Es ist ein Ort der täglichen Rituale. Dazu gehört das Schreiben auf meiner alten Olympia-Schreibmaschine SM3 – ich pflege eine ziemlich leistungsfähige Zweifingervirtuosität. Dazu gehört das tägliche Skype-Schachspiel mit meinem Freund Heinz Marecek. Und dazu gehört der tägliche Gedanke, dass ich mir in den Jahren, die mir noch bleiben, eine Relation zwischen geistiger und körperlicher Beweglichkeit wünsche. Man sagt, mein Körper sei für einen 81-Jährigen noch ganz gut in Schuss. Das soll so bleiben. Damit ich noch länger wohnen kann." (9.7.2018)