Wien – Trotz steigender Temperaturen nimmt im Hochgebirge die Bedeckung mit Vegetation ab. Das berichten österreichische Forscher im Fachjournal "New Phytologist", die Daten aus Hunderten Dauerbeobachtungsflächen analysiert haben. Sie führen diesen Effekt vor allem auf den Rückgang der kälteliebenden Arten zurück.

Im Rahmen der Forschungsinitiative "Gloria" (Global Observation Research Initiative in Alpine Environments) wurden 1994 Hunderte Beobachtungsflächen in Höhenlagen ab 3.000 Meter am Schrankogel in den Stubaier Alpen eingerichtet und 2004 sowie 2014 wieder untersucht. Neben Artenlisten wurde auch die Häufigkeit für jede einzelne Art in jeder Beobachtungsfläche ermittelt. Den Wissenschaftern steht damit eine einzigartige Datenquelle für die Veränderungen der hochalpinen Pflanzengemeinschaften zur Verfügung.

"Der Vorteil von Artenlisten ist ihre Verfügbarkeit über lange Zeitreihen von über hundert Jahren, zumindest von einigen Gipfelzonen der Alpen", erklärte Andrea Lamprecht von der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien und dem Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Die Daten zur Häufigkeit von Arten würden hingegen auch Aussagen über die Reaktionen der Gebirgspflanzen bereits nach kürzeren Beobachtungszeiträumen ermöglichen.

Langsame Anpassung

In der Analyse zeigte sich, dass die Anzahl der Arten pro Beobachtungsfläche anstieg, und zwar von anfangs zehn Arten pro Fläche auf zwölf Arten nach zehn Jahren und 13 Arten nach einer weiteren Dekade. Nahezu ausschließlich in der zweiten Dekade kam es dann aber auch wieder zu einem Rückgang um durchschnittlich eine Art pro Fläche.

Im selben Zeitraum verringerte sich die durchschnittliche Vegetationsbedeckung: War 1994 im Schnitt noch ein Viertel der einen Quadratmeter großen Beobachtungsflächen von Vegetation bedeckt, ist es mittlerweile nur noch ein Fünftel. Dies sei hauptsächlich durch den Rückgang der kälteliebenden Arten bedingt, so die Forscher.

Dies deute darauf hin, dass der Rückzug der unteren Verbreitungsgrenzen dieser Artengruppe rascher stattfindet als die erfolgreiche Ausbreitung der Arten aus tieferen Lagen nach oben. Dementsprechend veränderte sich die Artenzusammensetzung in beiden Dekaden in Richtung wärmeliebendere Artengemeinschaften, die zunehmend an trockenere Bodenbedingungen angepasst sind.

Großen Einfluss habe vor allem die Kombination aus anhaltendem Temperaturanstieg und verringerter Dauer der Schneedecke, betonen die Wissenschafter. Genau das ist insbesondere in den Alpen laut Klimaszenarien für die Zukunft zu erwarten. Dabei muss der Verlust von geeigneten Lebensräumen nicht unmittelbar von einem schnellen Artenrückgang begleitet sein, da viele Alpenpflanzen langlebig sind. "Die beobachteten Prozesse weisen jedoch auf einen Beginn einer Aussterbephase hin", so Harald Pauli vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung. (APA, 5.7.2018)