"Ohne echte Konzessionen einzugehen, hat Kim Jong-un Trump in Singapur eine Bühne geboten, wo sich dieser als Sieger präsentieren konnte. Show und Symbolik sind für Trump alles", analysiert Eric Frey.

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Was vor einigen Monaten bloß ein Drohszenario war, wird nun Wirklichkeit: Der größte internationale Handelskrieg seit den 1930er-Jahren beginnt. Wenn die USA und China einander mit Strafzöllen von je 34 Milliarden Dollar bewerfen, dann sind das nicht mehr protektionistische Nadelstiche, sondern Feuergefechte mit schmerzlichen Auswirkungen. Und sollte US-Präsident Donald Trump die Eskalation mit China und der EU wie angekündigt vorantreiben, indem er etwa auch Autos mit milliardenschweren Strafzöllen belegt, dann wäre der gesamte Welthandel in Gefahr; Rezession, Arbeitslosigkeit und Wohlstandsverluste wären die kaum vermeidbare Folge. Denn mit Handelsschranken schädigt jedes Land nicht nur seine Partner, sondern genauso sich selbst.

Dieser Konflikt hat eine Ursache, und die heißt Trump. Ohne die irrige Überzeugung des Präsidenten, dass die USA in der Globalisierung stets übervorteilt worden sind und daher von einem Handelskrieg profitieren können, gäbe es keinen Konflikt. Aber das heißt nicht, dass Chinesen und Europäer ganz unschuldig sind. China verstößt seit Jahrzehnten gegen den Geist und die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) und hat mehr als jeder andere dazu beigetragen, dass die Fundamente des Freihandels heute bröckeln. Und in der EU sind die gewaltigen Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands entgegen allen Mahnungen weitergewachsen und tragen entscheidend zum Ungleichgewicht im transatlantischen Handel bei, das Trump so erzürnt.

Die Antwort von Europa und China lautet: "Wie du mir, so ich dir" – also angemessene Vergeltung. Das entspricht zwar den Prinzipien der WTO und könnte einen anderen Gegner zum Einlenken bringen – aber nicht Trump. Der US-Präsident denkt nicht in rationalen Kosten-Nutzen-Kategorien. Fühlt er sich angegriffen, ignoriert er alle Ratschläge und schlägt ohne Rücksicht auf die Folgen noch heftiger zurück. Mit ihren Retourkutschen heizen China und die EU den Handelsstreit bloß weiter an.

Mit konkreten Zugeständnissen kämen sie auch nicht weit, denn Trump interessiert sich nicht für technische Details. Und auf die US-Strafzölle gar nicht zu reagieren wäre zwar das Beste in der ökonomischen Theorie, nicht aber in der politischen Realität. Denn Trump würde es als Zeichen der Schwäche werten und bloß weitere Forderungen stellen.

Also was tun? Europa und China könnten sich von Nordkoreas Diktator Kim Jong-un inspirieren lassen, der intuitiv weiß, wie man mit Männern wie Trump umgeht. Ohne echte Konzessionen einzugehen, hat er Trump in Singapur eine Bühne geboten, wo sich dieser als Sieger präsentieren konnte. Show und Symbolik sind für ihn alles.

Genauso könnten China und die wichtigsten EU-Staaten Trump ein Gipfeltreffen anbieten, auf dem Peking die Öffnung seiner Industrien für ausländische Investoren und Deutschland Maßnahmen zur Reduzierung des Leistungsbilanzüberschusses versprechen – sinnvolle Schritte allemal. Wie schnell dies tatsächlich umgesetzt wird, ist zweitrangig; das US-Handelsbilanzdefizit wird allein wegen der Steuerreform, die das Budget schwer belastet, nicht schrumpfen. Hauptsache, Trump kann auf Twitter einen Erfolg verkünden und sein eigenes Verhandlungsgeschick loben.

Ob ein solcher fauler Frieden hält, ist unsicher. Besser als ein Handelskrieg wäre er allemal.(Eric Frey, 6.7.2018)