Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: AP Photo/Alik Keplicz

Warschau/Brüssel – Wenige Stunden vor ihrer geplanten Zwangspensionierung trotzt die Oberste Richterin Polens der Regierung und weigert sich, ihren Posten aufzugeben. "Ich fühle mich als Präsidentin bis 2020", sagte Małgorzata Gersdorf am Dienstag dem Privatsender TVN24. Vor Studenten an der Universität Warschau sprach sie von einer "Säuberung" am Obersten Gericht durch die nationalkonservative Regierung.

Das umstrittene Gesetz schickt 27 der mehr als 70 Richter ab Mittwoch in den Ruhestand. Sie sind älter als 65 Jahre, bisher lag die Altersgrenze bei 70 Jahren. 16 von ihnen haben Präsident Andrzej Duda aufgefordert, ihr Mandat zu verlängern. Er kann das Gesuch ohne Angabe von Gründen ablehnen. Gersdorf soll am Nachmittag im Präsidentenpalast ihre Entlassungsurkunde entgegennehmen.

Verfahren eingeleitet

Die EU-Kommission in Brüssel hatte am Montag wegen der umstrittenen Justizreform ein neues Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet. Es gehe darum, die "Unabhängigkeit des Obersten Gerichts zu schützen", sagte Kommissionssprecher Margaritis Schinas. Das Vertragsverletzungsverfahren kann zumindest theoretisch bis zum Entzug von Stimmrechten auf EU-Ebene führen. Das Votum darüber muss allerdings einstimmig fallen.

Am Dienstagabend werden Massenproteste von Unterstützern der Richter vor dem Obersten Gerichtshof erwartet. Um Mitternacht tritt die umstrittene Reform in Kraft. Am Mittwoch soll es weitere Proteste geben.

Das bereits vom Parlament verabschiedete und von Duda unterzeichnete Gesetz zählt zu den umstrittenen Justizreformen, derentwegen die EU-Kommission seit 2016 gegen die Regierung in Warschau vorgeht. Die EU-Kommission kritisiert, die Reformen würden die Unabhängigkeit der Justiz beschneiden und die Gewaltenteilung untergraben. In dem erzwungenen früheren Ruhestand eines Teils der Richter sieht Brüssel eine "rote Linie" überschritten. (APA, 3.7.2018)