Moskau/Luschniki – Das sechste Treffen zwischen der Furia Roja und der Sbornaja erforderte mehr Geduld und Leidensfähigkeit als erwartet. Die Favoritenrolle war deutlicher vergeben als damals, vor dem Wiener Halbfinale der EM 2008, das die späteren Europameister gegen das Überraschungsteam des Turniers rund um Andrej Arschawin mit 3:0 gewannen.

Einen wie den "kleinen Zaren" hat Russland Coach Stanislaw Tschertschessow derzeit nicht, die Nation hatte aber zumindest aus den ersten beiden Gruppenspielen Hoffnung geschöpft und das dritte, das 0:3 gegen Uruguay, fast vergessen, als am Sonntag vor vollem Luschniki-Stadion zu Moskau (78.011 Zuseher) angepfiffen wurde.

Russland hat nicht so oft den Ball.
Foto: APA/AFP/MLADEN ANTONOV

Die Spanier dominierten von Beginn an, und zwei, die schon 2008 im Happel-Stadion mit dabei gewesen waren, spielten bei der ersten wichtigen Szene Hauptrollen. Nach einem Freistoß hängte sich Sergei Ignaschewitsch ziemlich patschert im russischen Strafraum an Spaniens aufgerückten Kapitän Sergio Ramos. Die beiden fielen zu Boden, der Ball aber ins Tor, ehe es zu einem Elferpfiff kommen konnte. Ignaschewitsch trug sich als zehnter Spieler in die Eigentorliste dieser WM ein (12.).

Angesichts des spielerischen Vermögens der Iberer war das Schlimmste für die Gastgeber zu befürchten, aber die Mannschaft von Fernando Hierro begnügte sich zunächst mit der Verwaltung der Führung – den Ausbau überließ man leichtsinnigerweise dem Zufall. Der ist bekanntlich ein Hund. Er schlug sich nach ziemlich zähen 30 Minuten, in denen die Russen nur einmal bei einem Schuss von Alexander Golowin gefährlich wurden, auf die Seite der Unterlegenen.

Vor dem Elfer.
Foto: APA/AFP/JUAN MABROMATA

Nach einem Eckball kam Riese und Publikumsliebling Artjom Dsjuba per Kopf an den Ball. Gerard Piqué, mit dem Rücken zum Gegner, fuchtelte mit dem Armen und stoppte mit der Linken, vermutlich unabsichtlich, den Ball. Der niederländische Referee Björn Kuipers konnte gar nicht anders, als Elfmeter zu geben. Das 21. Elfertor der WM erzielte Dsjuba selbst (41.).Nach Seitenwechsel machten sich die Spanier an den Ausbau ihrer Überlegenheit punkto Ballbesitz, mehr als 70 Prozent waren es schon davor gewesen.

Allein, selbst mit Andres Iniesta, der für David Silva gekommen war, wollten sich kaum zündenden Ideen gegen die stur verteidigenden, jeglichem Konterversuch abholden Russen einstellen. Eine gute Gelegenheit vergab Isco (58.) selbst, einen Schuss Iniestas aus rund 18 Metern parierte Goalie Igor Akinfejew ebenso wie den Nachschuss von Iago Aspas, der für den diesmal blassen Diego Costa gekommen war (85.).

Spanien brachte es nicht ins Tor.
Foto: APA/AFP/KIRILL KUDRYAVTSEV

Die Igeltaktik der Sbornaja, die nur einmal durch Fjodor Smolow ernsthaft aufs spanische Tor geschossen hatte (93.), bescherte eine Verlängerung – auch für die Hoffnungen der Nation.Die Verlängerung brachte zunächst einen historischen vierten Wechsel der Russen – seit dieser WM ist da nach der regulären Spielzeit erlaubt. Die Spanier setzten ihr espritloses Anrennen fort, Coach Fernando Hierro wechselte ebenfalls zum vierten Mal, Rodrigo kam. Die Russen schleppten sich Richtung Elferschießen wie ein Verdurstender zur Wasserstelle am Horizont.

Valencias Rodrigo brachte neuen Schwung, aber nicht genug, um im strömenden Regen das Elfmeterschießen abzuwenden. Russland hatte sein Ziel erreicht, das Goalieduell lautete Akinfejew gegen David De Gea. Iniesta und Piqué bzw. Fedor Smolow und Ignaschewitsch trafen, ehe Koke für Spanien vergab. Golowin und Ramos behielten danach die Nerven, aber auch Denis Tscherischew ließ sich nicht beirren. Und als Akinfejew gegen Aspas parierte, war die Sensation perfekt. (lü, 1.7.2018)

Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Tag in Moskau.
Foto: REUTERS/SHEMETOV

Fußball-WM in Russland, Achtelfinale:

Spanien – Russland 1:1 (1:1,1:1) nach Verlängerung, 3:4 im Elfmeterschießen. Moskau, Luschniki-Stadion, 78.011 (ausverkauft), SR Kuipers/NED.

Tore: 1:0 (12.) Ignaschewitsch (Eigentor), 1:1 (41.) Dsjuba (Elfmeter)

Elfmeterschießen:

1:0 – Iniesta trifft

1:1 – Smolow trifft

2:1 – Pique trifft

2:2 – Ignaschewitsch trifft

2:2 – Koke scheitert an Akinfejew

2:3 – Golowin trifft

3:3 – Ramos trifft

3:4 – Tscheryschew trifft

3:4 – Aspas scheitert an Akinfejew

Spanien: De Gea – Nacho (70. Carvajal), Pique, Ramos, Alba – Koke, Busquets – Silva (67. Iniesta), Isco, Asensio (104. Rodrigo) – Diego Costa (80. Aspas)

Russland: Akinfejew – Fernandes, Kutepow, Ignaschewitsch, Kudriaschow, Schirkow (46. Granat) – Samedow (61. Tscheryschew), Kusjajew (97. Jerochin), Sobnin, Golowin – Dsjuba (65. Smolow)

Gelbe Karten: Pique bzw. Kutepow, Sobnin