Alkoholverbot, Hundstrümmerl- und Müllwegräumgebot: Regelverstöße aller Art werden laufend geahndet. Künftig soll dabei weniger oft gestraft werden. Auf den ersten Blick klingt es nach Liberalisierung, Insider befürchten mehr Bürokratie.

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Drohen Wiens Straßen im Hundekot unterzugehen, wenn die Bundesregierung mit ihrem Reformplan im Verwaltungsrecht Ernst macht? Hört man sich in der Stadt Wien um, klingt es danach. "Wien wird mit dieser Novelle lauter, dreckiger und unsicherer werden", sagt Umweltstadträtin Ulli Sima. Sie warnt davor, dass die einst größte Sorge der Wiener, das Hundstrümmerl, nach nunmehr zehn Jahren Harmonie wieder zum drängenden Problem werden könnte, dass nächtlicher Lärm folgenlos bleibt und Rauchverbote munter missachtet werden.

Der Hintergrund: Die türkisblaue Koalition plant, dass für Verwaltungsübertretungen künftig seltener Strafen verhängt werden. "Verwarnen statt strafen" soll österreichweit das Prinzip sein, wenn jemand geringfügige Verstöße begeht. Betriebe sollen auf diese Weise vor unnötigen Belastungen geschützt werden. Erst beim zweiten Verstoß gegen dieselbe Regel soll künftig eine Strafe drohen.

"Verblödete" Reform

Laut Sima ist der Reformvorschlag "verblödet", er sei "das Werk eines Schreibtischtäters, der von der Praxis da draußen keine Ahnung hat", sagt sie im Gespräch mit dem STANDARD. Kontrollore könnten nämlich jetzt schon von einer Strafe absehen, wenn der Verstoß nicht schwerwiegend ist. Künftig liege das aber nicht mehr im Ermessen des Kontrollors, sondern solle bei geringfügigen Verstößen die Regel sein. Was aber, wenn das Hundstrümmerl dann einfach liegen bleibt? Dann hätten alle den Schaden, so Sima: die Allgemeinheit, die unterm Dreck leidet, aber auch die Behörde, die wegen der künftig vorgesehenen schriftlichen Ermahnungen und zusätzlichen Kontrollgängen doppelt so viel Arbeit hat. In manchen Fällen – Stichwort Alkoholverbot am Praterstern – sei die Vorgabe der schriftlichen Ermahnung zudem "einfach nur absurd".

Der Gesetzesentwurf wurde im Verfassungsausschuss des Nationalrats bereits verabschiedet, ein Beschluss im Plenum des Nationalrats steht aus.

Dass sich in den Gemeinden dann alles zum Schlechten verändern werde, glaubt ein eingeweihter Verwaltungsrichter im Gespräch mit dem STANDARD nicht. Der Jurist, der seine Kritik lieber anonym äußern möchte, sieht in dem Entwurf "reine Symbolpolitik, die nur den Zweck hat, Unternehmer zufriedenzustellen". In den Augen der Wirtschaftstreibenden klingt der Entwurf auf den ersten Blick nämlich gut: Er suggeriert, dass Lokalbesitzer, die Lärmschwellen überschreiten oder Rauchverbote missachten, erst einmal straflos davonkommen. So einfach wird es aber nicht gehen. Im Gesetzesentwurf steht nämlich, dass Kontrollore nur dann von einer Strafe absehen dürfen, wenn der Schaden gering ist und es sich nicht um einen sensiblen Bereich handelt – oder, wie es im Gesetzesdeutsch heißt: wenn "die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes (...) gering" ist. Ein solches geschütztes Rechtsgut ist beispielsweise die Gesundheit. Regeln wie Rauchverbot und Lärmschwellen betreffen aber eben die Gesundheit. Hier würde das Prinzip "Verwarnen statt Strafe" also gar nicht zur Anwendung kommen.

Mehr Bürokratie

Wird sich am Ende also gar nichts ändern? Für die Behörden schon, sagt der Jurist. Denn die Vorgabe, schriftlich zu mahnen, bedeutet mehr Bürokratie. Diese Befürchtung teilt einer, der die tägliche Kontrollpraxis kennt: Walter Hillerer, Leiter der "Gruppe für Sofortmaßnahmen" in Wien, koordiniert jene Kontrollore, die schon jetzt prüfen, ob sich Betriebe ans Gewerberecht halten. Mit dem Prinzip "Verwarnen statt Strafen" hat er Erfahrung, weil sich die geplante Änderung im Verwaltungsrecht an eine ähnliche Reform im Gewerberecht anlehnt, die bereits gilt. Eben jener Passus im Gewerberecht "macht uns das Leben schwer", sagt Hillerer. Nun müssen die Kontrollore nämlich "überall zwei Mal hinmarschieren": einmal, um zu ermahnen, ein zweites Mal, um nachzuschauen, ob jetzt alles passt. Unter dem Strich bringe die Reform also vor allem eines: "erheblichen Mehraufwand". (Maria Sterkl, 30.6.2018)