Wien/Klosterneuburg – Mit welchem Mechanismus sich Pflanzen im Boden festkrallen, haben nun Wissenschafter des IST Austria herausgefunden: Bei mikroskopischen Untersuchnungen stellten das Team um Jiří Friml und Matyáš Fendrych fest, dass sich Wurzeln im oberen Bereich mehr strecken als unten. Verantwortlich dafür ist das Hormon Auxin, das binnen Sekunden an der Unterseite bremste, wie die Forscher im Fachjournal "Nature Plants" berichten.

Das Hormon Auxin ist für die Entwicklung von Pflanzen essentiell. Es steuert eine Vielzahl von Prozessen, von der Embryonalentwicklung im Samen bis zur Verzweigung der wachsenden Pflanze. Bislang glaubte man, dass sein Signalmechanismus hauptsächlich im Zellkern wirkt und ausschließlich über ein Regulieren der Gentranskription funktioniert. Nun haben aber die Experten vom Institute of Science and Technology (IST) Austria in Klosterneuburg (NÖ) bewiesen, dass ein anderer Wirkmechanismus existiert und dass die Zellen in den Wurzeln auch unmittelbar auf Auxin reagieren können. Diese Wirkungsweise ermöglicht eine schnelle Richtungsanpassung des Wurzelwachstums.

Erkennen der Schwerktraftrichtung

Wenn der Samen einer Pflanze keimt, muss die Wurzel schnell die Richtung der Schwerkraft erkennen, sich entsprechend biegen und nach unten wachsen, um festen Halt, Wasser und Nährstoffe zu finden. Eine solche Biegung wird erreicht, indem sich das Wachstum der Zellen auf einer Seite der Wurzel fortsetzt, während es auf der anderen Seite gehemmt wird. Diese Hemmung wird bekanntermaßen durch das Hormon Auxin ausgelöst und erfolgt sehr schnell, die genauen Reaktionszeiten waren aber schwierig zu messen. Mit einem innovativen Experimentaufbau konnten die Forscher nun herausfinden, wie schnell genau die Wurzeln auf Änderungen der Auxinkonzentration reagieren. Tatsächlich zeigte sich, dass die Anpassung der Wachstumsrate extrem schnell erfolgt – viel zu schnell, um durch den Mechanismus der Gentranskription erklärt zu werden. Sie folgern, dass es einen entsprechend schnellen Wahrnehmungsmechanismus geben muss.

Der neue Mechanismus ist jedoch nicht völlig unbekannt. Komponenten des gut untersuchten Signalweges, der TIR1-Rezeptor, werden für die neue Wirkungsweise benötigt. "Wir haben mit unserem Experiment bewiesen, dass die Signalübertragung tatsächlich nicht über Transkription funktioniert, aber wir haben auch gesehen, dass Komponenten des ursprünglichen Transkriptionssignalweges benötigt werden", erklärt Friml. "Dies bedeutet, dass wir es nicht mit einem völlig neuen Weg, sondern mit einem neuen Zweig des kanonischen Weges zu tun haben."

Wurzeln beim Wachsen beobachten

Für ihre Studie nutzte das Team eine Technik, die in derselben Forschungsgruppe entwickelt und im Vorjahr bereits dazu genutzt worden war, ein Video von wachsenden Wurzeln zu produzieren, das zum Sieger des "Nikon Small World in Motion Award" gekürt wurde: ein gekipptes Mikroskop. Dieses ermöglicht es, die Wurzeln in ihrer natürlichen Orientierung zu beobachten. Die Messung der Reaktionszeit erforderte jedoch noch eine Weiterentwicklung der Technik: Die Forscher mussten in der Lage sein, die Lösung, in der die Wurzeln wachsen, schnell zu verändern.

"Normalerweise würde man das Auxin auftragen und dann die Probe in das Mikroskop einlegen, doch dabei verliert man wertvolle Sekunden oder sogar Minuten. Aber genau diese ersten Minuten sind für diese Studie essenziell", erklärt Erstautor der Studie Fendrych. Die Lösung, die das Team fand, bestand darin, die Wurzeln in mikroskopisch kleinen Kanälen wachsen zu lassen, die mit der gewünschten Flüssigkeit gefüllt waren. "Dadurch konnten wir die Auxinkonzentration ändern und sofort die Reaktion der Wurzel messen." (red, 30.6.2018)