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Tayyip Erdoğan hat wieder einmal alle Wunschdenker und Krisenerkenner enttäuscht.

Foto: Kayhan Ozer/Presidential Palace/Handout via REUTERS

Wenn die Botschafter von 50 großen Ländern den türkischen Präsidenten wählen würden, so sagte der türkische Regierungssprecher und stellvertretende Premier Bekir Bozdag, dann würden sie Muharrem Ince wählen. Tun sie aber nicht. Der aussichtsreichste Kandidat der Opposition ist rasch untergegangen.

Tayyip Erdoğan hat wieder einmal alle Wunschdenker und Krisenerkenner enttäuscht. Sein Wählerlager in der Türkei, seine Partei AKP und sein Staatsapparat funktionieren so diszipliniert, dass sie ihm bereits im ersten Anlauf die Wiederwahl zum Präsidenten bescheren – und auch die absolute Mehrheit seines Parteienbündnisses im Parlament. Doch offensichtlich gibt es eine große Kluft zwischen der Türkei und der Welt draußen. Die findet Erdoğan keinesfalls mehr überzeugend. Sogar die politische Führung in Ankara erkennt das.

Vor ein paar Jahren noch galt Erdoğan international als Erfolgsgestalt: als Modernisierer, Vater eines Wirtschaftsbooms, Führer einer muslimischen Demokratie. Das Blatt hat sich längst gewendet. Der Erdoğan von heute ist ein Autokrat und Populist, der die Demokratie aushebelt, die Wirtschaft an die Wand fährt und seine Armee in Syrien und im Irak stehen hat. Warum wird er dann gewählt? Wegen der Botschafter der 50 großen Länder.

Bequeme Verschwörungstheorie

Die größte aller Verschwörungstheorien, die in der Türkei von einer Generation zur nächsten gereicht wird, zahlt sich stets verlässlich aus: Das Ausland lauert immer und sinnt auf die Zerstückelung der Türkei. Das glauben viele gern. Es ist so bequem, erklärt alle Probleme im Land weg, lässt die Sehnsucht nach einem Führer wachsen, der es allen da draußen zeigt: den Amerikanern, den Israelis, den Deutschen, auch den vorgeblichen Moscheenschließern in Österreich.

Dies war keine faire Wahl. Das sollte sie auch nie sein. Erdoğan will an der Macht bleiben, das war das Ziel dieser Abstimmung. Die bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten, die Wahlbetrugsversuche vor allem, aber nicht nur im kurdischen Südosten scheinen auf das Konto lokaler AKP-Vertreter zu gehen. Manchmal schritt die Polizei ein.

Was nun bleibt, ist die sich zusammenbrauende Wirtschaftskrise und die große Enttäuschung der anderen Hälfte der Wähler in der Türkei. Die Opposition hat sich in den vergangenen Wochen politischen Freiraum zurückerobert. Der wird nun wieder verschwinden. (Markus Bernath, 24.6.2018)