Bald wird es hier recht einsam sein: Von den ursprünglich 110 Bewohnern des Flüchtlingsheims St. Gabriel der Caritas sollen laut Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) nur 30 bis 40 verbleiben.

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Maria Enzersdorf – Große Nervosität herrschte am Sonntag im Flüchtlingshaus St. Gabriel der Caritas im niederösterreichischen Maria Enzersdorf. Heute, Montag, sollen weitere 19 Bewohnerinnen und Bewohner des seit 1992 bestehenden, in der Vergangenheit von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) als Vorzeigeeinrichtung gehandelten Heims in andere Quartiere umziehen.

Am 16. Juni hatte der Abtransport von 26 Asylwerbern und subsidiär Schutzberechtigten, unter ihnen – wie der Standard berichtete – elf schwerkranke und massiv behinderte Personen, für Aufregung gesorgt. Daraufhin hatte die Caritas vor der neuerlichen Übersiedlung neun auf der Liste stehende Personen der zuständigen, von Asyllandesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) geleiteten Landesregierungsabteilung gemeldet. Bei ihnen handle es sich um "humanitäre Fälle", auf deren Abtransport verzichtet werden solle.

"30 bis 40" dürfen bleiben

Laut dem Geschäftsführer der für St. Gabriel zuständigen Caritas der Erzdiözese Wien, Klaus Schwertner, wurde dieses Vorgehen mit Waldhäusl in einem persönlichen Gespräch vereinbart. Doch am Sonntag gab es auf die Frage, ob man die neun wirklich verschonen werde, keine Antwort. "Wer als humanitärer Fall gilt, wird in der Abteilung auf Grundlage von Expertenanalysen entschieden", sagte eine Waldhäusl-Sprecherin dem STANDARD. Sicher sei lediglich, dass von den ursprünglich 110 St.-Gabriel-Bewohnern in Summe "30 bis 40" bleiben dürften, "Betreute und Familienangehörige zusammengenommen", erläuterte sie.

Die Absiedlung von zwei Dritteln aller St.-Gabriel-Insassen wird von Waldhäusl mit unzureichender Betreuung und einem hohen Sicherheitsrisiko für die Anrainer begründet. In einem Fernsehinterview Anfang Juni in Puls 4 erwähnte der Politiker überdies angeblich "Kritik der Volksanwaltschaft" an dem Heim.

Volksanwaltschaft warnte

2016 hatte die Volksanwaltschaft so wie auch die Caritas selbst darauf hingewiesen, dass die der Einrichtung vom Land zur Verfügung gestellten Gelder – 21 Euro pro Tag für jeden Normalbetreuten, 44 Euro für jeden Sonderbetreuten – bei weitem nicht ausreichten, um psychisch schwerkranke Menschen, die zum Teil aus der Psychiatrie kommen, adäquat zu versorgen.

Dann geschah heuer im Mai ein Mord: Ein Nigerianer war wegen aggressiven Verhaltens von der Polizei aus St. Gabriel weggewiesen worden, hatte sich aber weiterhin im Umkreis der Einrichtung aufgehalten. Eines Nachts war er dort wieder eingedrungen und soll einen Bangladescher mit einem Meißel erschlagen haben.

Verdächtiger nicht zurechnungsfähig

Tags darauf wurde er in der Nähe eines Kinderspielplatzes in der Umgebung festgenommen. Vergangenen Freitag wurde die im Mai über den 25-Jährigen verhängte U-Haft in eine vorläufige Anhaltung umgewandelt. Laut Gutachten leidet er an paranoider Schizophrenie und dürfte zum Tatzeitpunkt nicht zurechnungsfähig gewesen sein.

Er wolle die Betreuung der Abgesiedelten in die Hände von Organisationen legen, "wo ich merke, dass es besser gemacht wird", sagte Waldhäusl in Puls 4. In einer der neuen Unterkünfte im Helenental bei Baden zeigt sich Adelina S. (Name der Redaktion bekannt) völlig verzweifelt. Seit ihrer Ankunft am 16. Juni – S. war unter den Ersten, die übersiedelt wurden – habe sie ihr Zimmer nur verlassen, um in die weitentfernte Küche zu gelangen.

"Ich habe Angst"

"Ich habe Angst, niemand redet mit mir, niemand hilft mir", sagt die 50-jährige Kosovarin, die an spastischen Lähmungen der Hände und Füße leidet, am Telefon. Sie wolle nach St. Gabriel zurück, sagt sie und weint. Im Büro von Landesrat Waldhäusl kann dessen Sprecherin die Verzweiflung nicht nachvollziehen: "Die Leute, die am 16. Juni ausgezogen sind, taten das alle freiwillig", versichert sie. (Irene Brickner, 25.6.2018)