Vereinsobfrau Auer: "Die Mühlen mahlen langsam."

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ORF-Sportchef Trost: "Qualität geht vor Schnelligkeit."

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Man will und muss auch gar nicht wiedergeben, was alles über Claudia Neumann in den, nun ja, sozialen Netzwerken verbreitet wird. Claudia Neumann ist die einzige Frau, die im deutschen Fernsehen und auch im deutschsprachigen Raum Fußball kommentiert, das gestrige Spiel Dänemark gegen Australien war ihre vierte Partie im Rahmen dieser WM.

Schon nach Neumanns ersten drei Einsätzen hatte das ZDF, wo ihm das möglich war, zahlreiche sexistische und niveaulose Postings gelöscht und erklärt: "Wir nehmen sachliche Kritik ernst und geben sie der Redaktion weiter. Wir haben hier allerdings eine Netiquette, und wer in seinem Post mit Schimpfwörtern um sich wirft, muss damit rechnen, dass wir seinen Kommentar löschen. Eine Meinung kann man auch sachlich ausdrücken." ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann sagte: "Hier wird offensichtlich etwas Grundsätzliches berührt: Eine Frau kommentiert ein Spiel der Männer-WM. Manche drehen da im Netz völlig durch, das ist unterste Schublade."

Tonausfall bei John Terry

Sexismus und Schubladen (drawers) gibt es nicht nur in Deutschland, sondern etwa auch in Großbritannien. Dort setzte die BBC bei Portugal gegen Marokko erstmals eine Hauptkommentatorin bei einem WM-Spiel ein. Vicki Sparks machte ihre Sache – wie Neumann – ausgezeichnet. Dem früheren Chelsea- und Teamkapitän John Terry ist das leider entgangen, er setzte auf Instagram ab: "Muss das Spiel leider ohne Ton ansehen." Als ihm daraufhin Sexismus vorgeworfen wurde, löschte Terry die Nachricht und versuchte per Video eine Rechtfertigung. Er habe, sagte Terry, nach seiner Rückkehr von einem Malediven-Urlaub bloß festgestellt, dass der Ton bei seinem TV-Gerät ausgefallen war. Und nur das habe er mitteilen wollen. "Die Leute haben sich daraus dann ihre eigene Story zusammengebastelt." Ja, ja.

In Österreich gibt's viele untere Schubladen, nicht aber in dieser Thematik. Hierzulande hat noch keine Frau ein Fußballspiel im TV kommentiert. Dazu sagte ORF-Sportchef Hans Peter Trost kürzlich im Standard-Interview: "Je früher eine Frau kommentiert, desto besser. Das hängt aber von den Frauen ab, die wir finden. Wir machen uns keinen Druck und sagen: Qualität geht vor Schnelligkeit. Es ist nur eine Frage der Zeit." Jedenfalls macht der ORF-Sport seit geraumer Zeit mehr Frauen sichtbar, siehe Alina Zellhofer, siehe Kristina Inhof.

"Da kriegst du eine dicke Haut"

Elisabeth Auer muss, sagt sie, dennoch "schmunzeln". Auer ist Obfrau des Vereins "Wir Frauen im Sport", der sich im Vorjahr formiert hat und seit Februar behördlich angemeldet ist. Der Verein versammelt bis dato gut vier Dutzend Sportjournalistinnen, Managerinnen, Pressesprecherinnen sowie aktive und ehemalige Sportlerinnen. Ziele des Vereins sind u. a. die Gleichstellung der Geschlechter im Sport, Thematisierung und Beratung im Fall von Ungleichstellung oder Machtmissbrauch. Es geht um Vernetzung und die Bildung einer Jobplattform. Auer war selbst Sportjournalistin, zuletzt beim TV-Sender ATV, der 2016 seine Sportabteilung weitgehend auflöste. "Nach zwanzig Jahren und also schon einiger Erfahrung im Sport hab' ich keinen Job in dem Bereich mehr gefunden", sagt Auer, die nun Chefin vom Dienst des Kurier-Senders SchauTV ist.

Jahrelang ist Auer die sozusagen sichtbarste Frau im österreichischen TV-Sport gewesen. "Da kriegst du eine dicke Haut", sagt sie. "Ich hab' einiges über mich lesen und mir einiges anhören müssen – das allerdings noch mehr als Fußball-Referee." Seit dem Jahr 2000 ist sie staatlich geprüfte Schiedsrichterin, eine Zeitlang war sie, vornehmlich bei Nachwuchsspielen, als Assistentin tätig. "Einmal ist ein 13-jähriger Spieler hinter mir vorbeigegangen und hat geraunt: ,Pupperl, glaubst du nicht, dass du am falschen Strich stehst?'"

Wording und Rülpser

Auf dem Sportplatz und auch in Sportredaktionen, sagt Auer, herrsche "ein spezielles Wording". Doch der Ton, das weiß sie aus Erfahrung, ändere sich schnell, wenn Frauen im Raum sind. Als Frau dürfe man sich einerseits nicht alles gefallen, andererseits nicht alles an sich heran lassen. "Würde Claudia Neumann alles lesen, was über sie abgesondert wird, würde sie das viel zu viel Zeit und Substanz kosten."

Auer will der untersten virtuellen Schublade nicht zu viel Bedeutung beimessen. In den, nun ja, sozialen Medien schaukle sich oft etwas hoch. "Insgesamt sind die üblen Reaktionen auf Kommentatorinnen quasi nicht mehr als ein Rülpser in der Sportlandschaft." Und natürlich hofft Auer, dass sich hoffnungsvolle Journalistinnen nicht abschrecken lassen und sehr wohl künftig vermehrt auch vor die Kamera drängen.

Der Verein "Wir Frauen im Sport" hat eruiert, dass der Anteil von Frauen in österreichischen Sportredaktionen im Schnitt bei zehn Prozent liegt. Im Herbst ist ORF-Sportchef Trost zu einem Gespräch eingeladen. "Die Mühlen mahlen", sagt Elisabeth Auer, "aber sie mahlen langsam." (Fritz Neumann, 21.6.2018)