Hier im Bereich Groß-Enzersdorf ist die Trassenführung des Lobautunnels geplant. Noch fehlen nötige Bewilligungen.

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Die geplante Wiener Nordostumfahrung würde den Autobahn-Schnellstraßenring um Wien schließen.

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Wien – Die Wiener Nordostumfahrung inklusive Lobautunnel, die den Autobahnring um Wien schließen soll, spaltet nicht nur die Wiener Stadtregierung. Während die SPÖ mit Bürgermeister Michael Ludwig hinter dem, laut Autobahnbetreiber Asfinag, 1,9 Milliarden Euro teuren Straßenbauprojekt steht, bringt das den grünen Koalitionspartner auf die Barrikaden. Geplant sind Straßenaktionen gegen den Tunnel unter dem Nationalpark, es wird vor der Austrocknung von Teilen der Lobau gewarnt, eine Kampagne namens "Nobau" wurde von der Partei gegründet.

Die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou sieht ihre Ablehnung von einer Studie untermauert, zu der auch Verkehrsplaner Hermann Knoflacher seine Expertise beigetragen hat. Knoflacher selbst sagte vergangene Woche: "Wenn ich Wien schaden will, wäre der Lobautunnel die wirksamste Maßnahme." Er bezog sich auf mögliche wirtschaftliche, ökologische und soziale Nachteile für die Stadt. So könnten etwa im Umland Wiens nahe der S1 Shoppingcenter und Gewerbegebiete entstehen und die Stadt abwerten.

Zwei Studien, zwei Resultate

Knoflachers Branchenkollege Werner Rosinak arbeitete in einem von Vassilakou beauftragten internationalen Gremium ebenfalls an einer Studie zum Tunnel. Diese kam zu einem völlig konträren Ergebnis: Der Lobautunnel ist demnach alternativlos.

Rosinak kritisiert im Gespräch mit dem STANDARD Knoflacher heftig. In Anlehnung an dessen Aussage sagte Rosinak: "Knoflacher schadet Wien." Laut Knoflacher verhindere der Bau der S1 samt Tunnel die zielorientierte Entwicklung im 22. Bezirk, meint Rosinak. "Theorie und Empirie sagen aber das glatte Gegenteil."

Wenn die Stadtregierung Zuzug und Stadtentwicklung wolle, brauche es auch das Straßenverkehrsprojekt. "Sonst muss das mit der Stadtentwicklungspolitik noch einmal gründlich überdacht werden", sagt Rosinak – und nahm damit auch die Grünen in die Pflicht, die das Verkehrs- und Planungsressort verantworten.

In diesem Zusammenhang verwies Rosinak auch auf den Regierungspakt von Rot-Grün, der ein Bekenntnis zu einer sechsten Donauquerung vorsieht. Die Prüfung einer alternativen Variante würde erneut rund 15 Jahre Zeit kosten. "Ich würde nicht neu anfangen", sagt Rosinak. So viel besser könne das neue, noch zu entwickelnde Projekt gar nicht sein.

Verkehrskollaps droht

Entscheidend sei die Abwägung von Risiken des Tunnelprojekts für Wien – in Punkten wie Wirtschaft, Ökologie, Verkehrsentlastung oder Lebensqualität. Das Ergebnis ist für Rosinak klar: "Das Risiko der Unterlassung ist größer als das Risiko des Tunnels." Wird der Tunnel nicht gebaut, sei ein Verkehrskollaps unvermeidlich.

Einig ist sich Rosinak mit Knoflacher aber darin, dass es in Transdanubien mehr braucht als nur den Tunnel: Unbedingt nötig seien für eine Verkehrsentlastung auch ein massiver Ausbau von Öffis und Radwegen, Begegnungszonen oder eine Ausweitung des Parkpickerls. Knoflachers Aussage, wonach Straßen Verkehr erzeugen, ist laut Rosinak aber "völliger Unsinn. Es gilt ja auch nicht, dass Waschmaschinen schmutzige Wäsche erzeugen – oder Krankenhäuser Kranke."

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte im Frühjahr in zweiter Instanz den positiven UVP-Bescheid für das S1-Projekt samt Tunnel. Ausständig sind aber noch weitere Genehmigungen für Naturschutz- und Wasserrecht. Diese müssen von Wien und Niederösterreich bewilligt werden. Einsprüche gegen diese Entscheidungen sind möglich. Die Asfinag rechnet damit, dass das Projekt im besten Fall Ende 2018 durch ist. Der Bau soll Ende 2019 starten. (David Krutzler, 20.6.2018)