So gut, dass es wehtut: das der hauseigenen Landwirtschaft angeschlossene Wirtshaus von Familie Schauflinger.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Gekochtes Rindfleisch strotzt vor Kraft, dazu kümmelige, schmalzgebratene G'röste, warme (!) Schnittlauchsauce und Apfelkren von explosiv fruchtiger, die Schleimhäute fordernder Power.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Dieser Tage sitzt man in Theuerwang vorzugsweise auf der Wiese, im Schatten von Kastanien, den man sich mit dem einen oder anderen Hendl teilt. Das Federvieh scharrt und pickt, unsereins zwickt sich, weil er es nicht glauben kann. Ist das hier das allerschönste und am allerbesten bekochte Gasthaus des ganzen Landes – und war man tatsächlich zu deppert, das in den vergangenen 32 Jahren herauszufinden? So lange steht hier nämlich schon Christine Schauflinger am Herd, seit 1996 sogar an einem neuen. Damals wurde der Holzofen in der mächtigen Küche erneuert. So viel zur Macht der Beständigkeit. Aber auch sonst spricht vieles dafür.

Der prachtvolle Vierkanter zum Beispiel, keine rustikal aufgemascherlte Trachtenkulisse, sondern ein Bauernhof in Vollbetrieb, komplett mit 50 Rindern, etlichen Traktoren und einem dampfenden Misthaufen samt stolz aufgeblasenem Gockelhahn. Riechen kann man ihn hier, im Garten, zum Glück nicht. Die originalen Wirtsstuben mit Doppelbänken, prächtigen Tischen und Kachelöfen, die massive Schank im marmorgepflasterten Gang, das uralte, monogrammierte und fachgerecht gestärkte Tischleinen, einfach alles hier atmet selbstverständliche Gelassenheit, gestandene Qualität, unaufdringliche Gastfreundschaft.

Makellos österreichische Küche

Familie Schauflinger hat den Hof seit 1902 in der Hand, als Wirtshaus ist er seit 1640 ununterbrochen nachgewiesen. Die männlichen Schauflingers heißen alle Hermann, der derzeit jüngste hat einstweilen nur Töchter. Man wird sehen. Er führt das Haus seit nunmehr sieben Jahren. Dass seine Frau Lisa die Schwester von Tamara Staudinger ist, die das grandiose Schloss Hochhaus im nahen Vorchdorf führt, und ihre Mutter Ricki die Seele des noblen Tanglberg, könnte der durchdringenden Herrlichkeit dieses Ortes durchaus nicht abträglich gewesen sein.

Lisa steht nämlich mit der Schwiegermama in der Küche. Und was von da an die Tische geschickt wird, ist makellose österreichische Küche.

Rindssuppe, an diesem Sonntag wahlweise mit cremigen Hirnschöberln oder ideal wolkigen Grießnockerln zu haben, ist dicht, aber nicht zu sehr, und von einer ruhigen, satten Ausgewogenheit, wie sie wohl nur in den Küchen von gestandenen Kuhbauern zustande kommt – erinnert an das legendäre Black-Angus-Substrat vom Lurgbauer bei Mariazell, einer Verheißung von einer Rindssuppe, die man sein Lebtag nicht vergisst.

Du lieber Himmel

Geröstete Kalbsleber von milchiger Zartheit, mit süßen Zwiebeln, gerät schlicht perfekt, da können sich die diesbezüglich renommierten Herrschaften aus Harry's Bar in Venedig noch etwas abschauen. Butterreis und ganz frischer gemischter Salat dazu, Glückstaumel. Oder Surbraten mit rescher, wie Glas splitternder Kruste, zartem Natursaftl und einer Trilogie aus Petersilerdapfel, sanft zwiebeligem Semmelknödel und Mehlknödel – makellos bis hin zum eindeutig frisch gekochten Erdapfel und dem apfelessigfrischen Krautsalat.

Gekochtes Rindfleisch strotzt vor Kraft, dazu kümmelige, schmalzgebratene G'röste, warme (!) Schnittlauchsauce und Apfelkren von explosiv fruchtiger, die Schleimhäute fordernder Power, Himmel. Gebackenes Kalbsbries ist unter der butterschmalzschwangeren Panier von einer zart-elastischen Saftigkeit, die man sich nicht einmal erträumen kann, Wahnsinn.

Und so geht es in einem fort, der Wind streicht sanft durch die Kastanien, der Hahn kräht, die Powidltascherln, der Indianer (frisches Biskuit, Obers, warme Schokoglasur) und die Topfenknödel mit Rhabarber schweben heran. Muss man alles kosten, ist alles so gut, dass es einem eh keiner glaubt. Also: nix wie hin, Glück haben. Reservieren nicht vergessen, sonst geht nämlich gar nix. (Severin Corti, RONDO, 22.6.2018)

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