Wien – Als ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer am vergangenen Donnerstag seine Forderung nach einem Fastenverbot für schulpflichtige Kinder deponierte, dauerte der Ramadan noch knapp neun Stunden. Mit Sonnenuntergang gegen 21 Uhr endete der muslimische Fastenmonat im heurigen Jahr am 14. Juni.
Nehammer begründete seinen Vorstoß mit "unzähligen" Berichten von Lehrern über geschwächte Kinder: "Wenn religiöse Rituale – egal welcher Religion – die Gesundheit von Kindern gefährden, geht das eindeutig zu weit." Religionsfreiheit sei selbstverständlich ein hohes Gut, aber: "Wenn die Religion über dem Kindeswohl steht, ist Schluss."
Kindeswohl als "Trick"
Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) wies den Ruf nach einem Fastenverbot für Kinder scharf zurück. Wenn Nehammer meine, "über den Trick, das 'Kindeswohl' angeblich schützen zu wollen, einer Diskussion zum Thema 'Einschränkung der Religionsfreiheit' aus dem Weg gehen zu können, so wird das nicht gelingen", ließ IGGÖ-Frauenreferentin Carla Amina Baghajati wissen. Der Vorstoß bediene bloß Ressentiments gegen den Islam und Muslime. "Längst hat die Verbotspolitik den Charakter des rein Symbolhaften verloren. Zu tiefgreifend ist, wie hier Muslime ständig vor den Kopf gestoßen werden und man sie bewusst zu demütigen sucht." Das führe zu "einer gefährlichen Entfremdung in der Gesellschaft".
Religiös begründete Zumutungen
Was aber sagt einer, der als Lehrer selbst mit fastenden Kindern zu tun hatte und nun als Pflichtschullehrergewerkschaftschef Lehrerberichte über die Situation in den Schulen gut kennt? Paul Kimberger (Fraktion Christlicher Gewerkschafter) betont in seiner Argumentation immer die pädagogische Dimension und hat daher – nicht nur auf das Fasten bezogen, sondern auch mit Blick auf ein Kopftuchverbot für Schulmädchen – "ein Problem, immer gleich mit Verboten zu hantieren", sagt er im Gespräch mit dem STANDARD: "Vieles lässt sich mithilfe von Kommunikation, auch durch die Religionslehrer, in der Schule klären." Er betont aber auch, dass er der Meinung sei, "dass man Kindern so etwas wie das Kopftuch oder das Fasten bis zu einem gewissen Alter nicht zumuten sollte. Ich halte das für völlig überzogene, unvernünftige Maßnahmen, die da scheinbar aus der Religion abgeleitet werden. Mir geht es um die freie Entwicklung und Gesundheit der Kinder in unserem Land, darum bin ich dagegen."
Wer fastet, darf nicht zum Fußballturnier
Wo Reden und Bewusstseinsbildung nicht möglich seien, müsse es den Lehrern möglich sein, ihrerseits Maßnahmen zu setzen. So sei in einer Linzer Schule heuer im Ramadan darauf hingewiesen worden, dass die Buben, die streng fasten, also weder essen noch trinken, aus gesundheitlichen Gründen nicht an einem großen Fußballturnier teilnehmen dürfen, erzählt Kimberger: "Dafür habe ich großes Verständnis, wenn Lehrer sagen, ich übernehme dafür keine Verantwortung."
Er habe in seiner Zeit als Sportlehrer selbst erlebt, wie ein Mädchen beim Zirkeltraining vom einem Gerät gestürzt sei und sich verletzt habe: "Wir sind dann draufgekommen, dass sie streng fasten musste, also geschwächt und total dehydriert war. Vor solchen Zwischenfällen müssen die Lehrkräfte geschützt werden, weil wir die Verantwortung haben", sagt Kimberger: "Dann kann der- oder diejenige eben nicht mitmachen bei bestimmten, körperlich anstrengenden Schulaktionen." (Lisa Nimmervoll, 20.6.2018)