Wien – Mit einem neuen NS-Presse-Archiv machen Wissenschafter um den Zeithistoriker Oliver Rathkolb Dokumente aus der Zeit des Nationalsozialismus online zugänglich. Damit können vor allem Forscher auf die im wesentlichen aus Zeitungsausschnitten bestehende Sammlung der NSDAP-Gauleitung Wien zugreifen, wie die Universität Wien mitteilte.

Bei der Forschungsplattform "Gaupresse"-Archiv handle es sich um eine wissenschaftliche Lehrplattform, wie die Historiker betonten. Die nun in über 16.000 Mappen digitalisiert vorliegenden insgesamt über 200.000 einzelnen Scans dienen also vor allem der Recherche. Auf die Plattform zugreifen könne zwar prinzipiell jeder, das Abfragen und die Verwendung der Inhalte ist jedoch nur für Zwecke des Unterrichts, der Lehre und der Forschung zulässig und daher registrierungs- und anmeldepflichtig.

Propagandazwecke

Die Umsetzung erfolgte im Rahmen eines mehrjährigen Forschungsprojekts des Instituts für Zeitgeschichte der Uni Wien und der Fachbereichsbibliothek Zeitgeschichte. Die 673 Kartons umfassende Sammlung geht auf das Wiener "Gaupresse-Amt" zurück. Angelegt wurde sie gemäß der Rolle der Presse im NS-System als Propagandainstrument unter dem Gesichtspunkt der propagandistischen Verwertbarkeit.

Neben einer Tageschronik der Presseberichte über den Zweiten Weltkrieg wurden Themen der NS-Provinzpresse in der "Ostmark" bzw. den "Donau- und Alpengauen" 1938 bis 1945 dokumentiert. Biographisches Material zu NS-Politikern wurde ebenso gesammelt wie zur Wehrmacht und NSDAP. Dazu kamen länderkundliche Sammlungen, aber auch wirtschaftspolitische und kulturelle Themenstellungen. Auch Reden von NS-Politikern sind enthalten.

Von Kartons zum Online-Archiv

Ursprünglich wurde das "Gauarchiv" im sogenannten "Gauhaus", also dem Österreichischen Parlament, aufbewahrt. Markus Stumpf, Leiter der Fachbereichsbibliothek Zeitgeschichte, dazu: "Aus Platzgründen wurden die Bestände Mitte der 1970er Jahre über das Parlamentsarchiv und die Parlamentsbibliothek hinaus aufgeteilt. Sie sind heute im Österreichischen Staatsarchiv, im Wiener Stadt- und Landesarchiv, in der Österreichischen Nationalbibliothek, aber auch in der Wienbibliothek im Rathaus sowie an der Universität Wien in der Fachbereichsbibliothek Zeitgeschichte zu finden".

Durch die umfassende digitale Aufarbeitung des Archivs, das laut Rathkolb die "ideologisierte propagandistische Jubelberichterstattung über Führer, Partei, NS-Ideologie usw." widerspiegelt, werde es nun möglich, sich der Auseinandersetzung mit der NS-Presse auf breiterer Basis anzunähern. (APA, red, 18. 6. 2018)