Verkorkster geht es nicht. Wie die Regierung den Zwölfstundentag lanciert hat, ist zum Teil inhaltlich verwerflich, vielmehr aber von der Vorgangsweise und Kommunikation ein Super-GAU. Anders kann man die letzten Entwicklungen rund um die Flexibilisierung der Arbeitszeit nicht bezeichnen. Da weiß offenbar die eine Hand nicht, was die andere tut. Da zeichnet die Regierung ein aberwitziges Bild einer Arbeitsmarktidylle, während die Gewerkschaft gegen Lohnraub wettert. Den Vogel schoss dabei Heinz-Christian Strache ab: "Mit diesem Modell können berufstätige Eltern, die ihre Kinder oftmals nur zum Gutenachtkuss noch sehen, einen vollen Tag mehr mit ihnen verbringen", postete der Vizekanzler auf Facebook. Wie niedlich.

Fairer Ausgleich fehlt

Dabei wäre das Vorhaben grundsätzlich gar nicht zu kritisieren, im Gegenteil: Eine flexiblere Wirtschaftswelt erfordert dringend Anpassungen im Arbeitsrecht. Wahrscheinlich viel weiter gehende, als sie nun am Tisch liegen. Doch die Veränderungen benötigen Konsens und bedürfen eines fairen Ausgleichs zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Genau hier hakt es. Ein Überblick über die Fehltritte:

  1. Mit der gegenständlichen Novelle könnte das gut funktionierende System der Mitbestimmung in Österreich ausgehebelt werden. Der Zwölfstundentag wird per Gesetz verfügt, die Zustimmung von Betriebsräten und Gewerkschaft obsolet. Wer von Klassenkampf der Gewerkschaft spricht, sollte sich die Frage stellen: Was sollte die Organisation unternehmen, wenn ihre Rolle als Vertretung der Arbeitnehmerinteressen massiv eingeschränkt werden soll?

  2. Die propagierte Freiwilligkeit der elften und zwölften Stunde ist – positiv formuliert – schwammig verankert. Die Arbeitnehmer können sich dem Wunsch nach Mehrarbeit aus "überwiegenden persönlichen Interessen" widersetzen. Es trifft sie quasi eine umgekehrte Beweislast, weil die Mitarbeiter darlegen müssen, warum sie die Überstunden nicht leisten wollen. Warum blieb man hier nicht beim bisherigen Ablehnungsmodus für Überstunden, der die Beschäftigten deutlich besser stellt?

  3. Je öfter die Koalition betont, dass Überstundenzuschläge durch die geplante Änderung nicht betroffen sind, desto unglaubwürdiger wird sie. Wenn dann ausgerechnet noch Industriechef Georg Kapsch "Im Zentrum" einräumt, dass Zuschläge wegfallen können, dann gleicht das einem Offenbarungseid. Er schien selbst überrascht von der Tragweite der türkis-blauen Änderungen zu sein. Der künftige Generalsekretär der Wirtschaftskammer, Karlheinz Kopf, pflichtete Kapsch bei, wonach weniger Zuschläge bei Gleitzeit drohen. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Ausgerechnet die Arbeitgeber bestätigen den Vorwurf der Arbeitnehmer, dass die Koalition in die Geldbörsen der Beschäftigten greift.

  4. Da wäre noch die Vorgangsweise, die Reform über einen Initiativantrag im Parlament durchzupeitschen. Das hat den angenehmen Nebeneffekt, dass eine Begutachtung unterbleiben kann. Eine derartige Vorgangsweise ist völlig legal und kommt in der Praxis immer wieder vor. Dennoch verstärkt sie den Eindruck, dass die Koalition etwas zu verbergen hat.

Man darf mit Spannung erwarten, wie die Koalition aus der Nummer herauskommt. Peitscht sie die Reform durch, muss sie mit massivem Widerstand der Arbeitnehmervertreter rechnen, der wohl bis zum Streik reichen dürfte. Nicht nur deshalb, sondern auch aus inhaltlichen Gründen wäre die Regierung gut beraten, das Vorhaben zu überdenken. Sie sollte – in Anlehnung an Strache – den einen oder anderen vollen Tag mit der Verbesserung des Antrags verbringen. (Andreas Schnauder, 18.6.2018)