Wiener Neustadt – Über das perfekte Umfeld für entspanntes Lernen im Kindesalter lässt sich streiten. Eine Szene im Klassenzimmer, umzingelt von Regierungsspitze, Bildungsminister, Kameraleuten, Fotografen und Journalisten, gehört aber wohl nicht zu den Beispielen aus dem Pädagogikbilderbuch (wohl aber aus dem der freundlichen politischen Bildsprache).

Die Regierungsspitze geht in die Schule.
Foto: christian fischer

Gut, es war auch nur ein Vormittag in den hoffentlich langen und ertragreichen Bildungskarrieren der kleinen Wiener Neustädter, die Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) am Montag besuchten.

Perle des Industrieviertels

Die nach dem tiefroten Bildungsreformer Otto Glöckel benannte Volksschule liegt in einem schwierigen Viertel der Stadt (ihrerseits die Perle des Industrieviertels), bekannt als "Kriegsspital". 40 Prozent der Bewohner des Grätzels hätten Migrationshintergrund, erklärt der schwarze Bürgermeister Klaus Schneeberger, dementsprechend sei der Bildungsstandort eine echte "Brennpunktschule".

Integration durch Lederhose: Die Wiener Neustädter Kinder waren auf den Besuch von Kanzler und Vizekanzler vorbereitet.
Foto: christian fischer

Stadt und Land buttern seit dem laufenden Schuljahr ordentlich Geld in spezielle Deutschförderklassen. Ein schönes Vorbild für die eigenen Extraklassen, die ab September bundesweit eingeführt werden, findet die Regierung und lädt zum wohlfühlstarken Fototermin nach Niederösterreich. Dort will man den "Unkenrufen" (Strache) und den "Bedenkenträgern" (Kurz) gegen die Reform mit Bildern vom erfolgreichen Modell entgegentreten.

Strache, enttäuscht: "Keine Schweine?"

In vier Gruppen lernen die Kriegsspitaler Kinder Deutsch – von null weg bis zum Erstsprachniveau mit Nachbesserungsbedarf. Vergangene Woche haben alle Kinder einen Bauernhof im Bezirk besucht, die Regierungsmitglieder lauschen der Nachbearbeitung. "Zeig dem Herrn Vizekanzler den Bauern", animiert der Pädagoge der niedrigsten Stufe einen Buben, der am Bauernhofbild dann folgsam auf den Landwirt deutet.

Wimmelbildsuche mit Vizekanzler, Bildungsminister, Bundeskanzler und Bürgermeister.
Foto: christian fischer

Welche Tiere haben die Kinder am Bauernhof gesehen? "Kühe!", rufen sie im Chor. Kurz und Faßmann nicken anerkennend. Nur der Vizekanzler wirkt ein bisschen enttäuscht: "Keine Schweine?" Auf der Landwirtschaft waren leider nur Kühe zugegen, sagt der Lehrer.

Faßmann will für genug Geld gesorgt haben

"Das große Plus", erklärt er im Anschluss die bemerkenswerten Fortschritte, "sind die kleinen Gruppen." Maximal zehn Kinder mit Förderbedarf sitzen in der Otto-Glöckel-Schule gemeinsam im Klassenzimmer. Im Gesetzesentwurf der Regierung sind bis zu 25 erlaubt.

Weniger ist mehr, gibt der Bildungsminister zu, aber er vertraue auf die "weise Autonomie" der Schulen, dann dafür zu sorgen, dass das Maximum von 25 nicht erreicht wird. Es sei jedenfalls ausreichend Geld da: 40 Millionen Euro pro Jahr.

Lernen im Scheinwerferlicht.
Foto: christian fischer

Allerdings wisse er noch nicht, wie viele Schüler dann im September als "außerordentlich" gemeldet sein werden, also nicht beurteilt und in die neuen Deutschförderklassen der Regierung gesteckt werden. Die Landeschefs, von denen sich manche zuletzt sorgten, auf Zusatzkosten sitzenzubleiben, müssten sich aber keinesfalls Sorgen machen.

Applaus und Daumen hoch

Ebenfalls sorgenfrei ist man in Wiener Neustadt, was die sozialen Folgen von Extraklassen betrifft: Die Kinder hätten "kein Problem", sich in unterschiedlichen Gruppen zurechtzufinden – man dürfe den Schülern da ruhig auch etwas zutrauen, sagt die Direktorin.

Politik als das beharrliche Schütteln kleiner Hände.
Foto: christian fischer

Überhaupt sind laut Schulchefin alle Beteiligten aufs Äußerste zufrieden mit dem Modell: Es sei schon Juni, das Lehrpersonal trotzdem so "wenig ausgebrannt" wie nie zuvor. Frust bei den Schülern, die erst Deutsch lernen müssen? Gleich null. Auch die Eltern seien glücklich.

Applaus und hochgestreckte Daumen ernteten die lerneifrigen Volksschüler dann von Kurz, Strache und Faßmann. Auch sie verließen die Otto-Glöckel-Schule am Montag besonders zufrieden. (Sebastian Fellner, 18.6.2018)